Kakao aus São Tomé genießt Weltruf
Kakao aus São Tomé genießt Weltruf


São Tomé – Für die deutsche Tennis-Legende Boris Becker war 2022 das schwierigste und entbehrungsreichste Jahr seines Lebens. Siebeneinhalb Monate saß der 55-Jährige in einem britischen Gefängnis. Der dreimalige Wimbledon-Champion war wegen Insolvenzstraftaten zu einer 30-monatigen Haftstrafe verurteilt worden. Aber schon nach rund acht Monaten durfte er das Huntercombe-Gefängnis in Oxfordshire Richtung Deutschland verlassen, wo seine 87-jährige Mutter Elvira Becker auf ihn wartete. Der Rückflug erfolgte mit einem luxuriösen Privat-Jet, dessen Kosten ein deutscher Fernsehsender übernommen haben soll. In Huntercombe werden ausländische Staatsangehörige vor ihrer Abschiebung inhaftiert. Becker hatte Anspruch auf eine vorzeitige Entlassung, bei der Straftäter vor ihrem eigentlichen Entlassungstermin in ihr Heimatland zurückgeschickt werden, um die überfüllten britischen Gefängnisse zu entlasten. Weil der gebürtige Leimener nie die britische Staatsbürgerschaft beantragt hatte, obwohl er mehr als ein Jahrzehnt in London lebte, war er ein Kandidat für diese Sonderregelung des britischen Innenministeriums. Daher konnte er nach Verbüßung von rund acht Monaten seiner zweieinhalbjährigen Haftstrafe abgeschoben und das Weihnachtsfest bei seiner Familie in Deutschland verbringen. Laut der „Bild“-Zeitung war Becker bei seinen Mithäftlingen beliebt und geachtet. Er verschenkte Kleidungsstücke, half Inhaftierten ohne Englisch-Kenntnisse und motivierte alle mit seinem Sport-Training. Die so erworbenen Sympathien schützten den früheren Tennis-Helden vor einem wegen Mordes seit 16 Jahren einsitzenden Häftling, der ihm den Tod androhte.

Aber das liegt nun hinter Boris Becker, für den ein neuer Lebensabschnitt beginnt. Von den seelischen Strapazen seiner Haftzeit erholte er sich jüngst im Urlaubsparadies São Tomé e Príncipe. Die Republik mit der Hauptstadt São Tomé ist ein kleiner Inselstaat im Golf von Guinea und liegt etwa 200 Kilometer vor der afrikanischen Westküste. Neben den beiden Hauptinseln gehören vier Kleinst-Inseln zum fast 1.000 Quadratkilometer umfassenden Staatsgebiet, das von 200.000 Menschen bewohnt wird. Die übergroße Mehrheit davon lebt auf São Tomé und mehrere Tausend auf Príncipe. Die Inselgruppe ist für ihre menschenleeren tropischen Strände, die urwüchsigen Regenwälder, ihre atemberaubenden Felsen und unberührten Korallenwelten bekannt. Die Inseln gehören zu einer Vulkankette und sind deshalb sehr gebirgig. Wegen des einmaligen Zusammenspiels von Sandstränden, Bergen und Kokospalmen wird das zweitkleinste Land Afrikas von Urlaubern auch als zauberhafte „Insel der Illusionen“ bezeichnet.

Vor einer typischen Strand-Idylle verschickte der frühere Tennisstar über Instagram Silvester-Grüße an seine Fans: „Es ist der letzte Tag im Jahr, und ich wollte ein paar Worte meinen Liebsten und den Leuten sagen, die mich respektieren und zu mir gestanden haben in einem Jahr, das für mich das schwerste Jahr meines Lebens gewesen ist.“ Die Knasterfahrung habe ihn stärker gemacht, versicherte Becker und dankte seinen Unterstützern vor Ort: „Jetzt ist es vorbei und ich glaube, ich bin stärker als vorher herausgekommen. Ich glaube, meine mentale Gesundheit ist besser als zuvor, aber ohne die Hilfe und Unterstützung von so vielen Menschen hätte ich es niemals geschafft. Danke, danke, danke!“ Becker will nach 231 Tagen hinter Gittern konsequent nach vorne schauen: „2022 ist jetzt vorbei. Lasst es uns hinter uns lassen. Gott segne Euch.“ Dann schickte er oberkörperfrei mit rauschenden Wellen im Hintergrund ein paar symbolische Schmatzer in die Kamera.

Die Familie von Beckers Partnerin Lilian de Carvalho Monteiro stammt aus dem westafrikanischen Land, in dem Portugiesisch die offizielle Nationalsprache ist, weil es einmal Kolonie Portugals war. São Tomé und Príncipe ist deshalb wohl kein zufälliges Urlaubsziel. Becker dürfte mit der 33-jährigen Brünetten auch Verwandtenbesuche absolviert haben. „Ihr Vater Victor Monteiro war dort früher sogar Verteidigungs­minister, scheiterte 2014 nur knapp bei den Präsidentschaftswahlen“, berichtet „Bild“. „Boris genießt also nicht nur die wunderschöne Insel, sondern mit Sicherheit auch die Gastfreundschaft von Lilians Familie.“ Um im Kreise seiner neuen Familie entspannt die Privatsphäre genießen zu können, musste Becker eine lange Anreise in Kauf nehmen. Er wird wohl über 20 Stunden unterwegs gewesen sein, um dort anzukommen. Die Inselrepublik am Äquator wird nämlich nur von wenigen Airlines angeflogen. Nach seiner Haftentlassung Mitte Dezember erklärte er Sat.1-Moderator Steven Gätjen, dass er noch nicht wisse, wo er künftig dauerhaft leben werde. Wenn er Abgeschiedenheit und traumhafte Natur zum Maßstab nimmt, könnte die Wahl glatt auf São Tomé und Príncipe fallen. Wahrscheinlicher ist aber, dass die Inselgruppe nur ganz oben auf seiner Liste toller Urlaubsziele steht.

Der Tourismus spielt inzwischen eine wichtige ökonomische Rolle im Inselstaat, wenngleich er nur behutsam weiterentwickelt wird. Massentourismus will man aus Rücksicht auf die Tier- und Pflanzenwelt nicht haben. Historisch spielte die Landwirtschaft eine zentrale Rolle, deren wichtigste Produkte Kakao, Kaffee und Palmöl waren. Trotz einer hohen städtischen Arbeitslosigkeit geht es São Tomé e Príncipe laut dem sogenannten Index der menschlichen Entwicklung (Human Development Index, HDI) der Vereinten Nationen besser als vielen anderen Ländern Afrikas. Die Grundschulausbildung sei flächendeckend gesichert, fast alle Bewohner verfügten über sauberes Trinkwasser und die große Mehrheit der Bevölkerung habe regelmäßig Strom. Zudem liege die Lebenserwartung bei 66 Jahren. Erst jüngst bezeichnete der derzeitige Vorsitzende der Westafrikanischen Wirtschaftsgemeinschaft Ecowas, Umaro Sissoco Embalo, São Tomé und Príncipe als einen Modellstaat für die parlamentarische Demokratie in Afrika.

Von der freien Reiseautorin Kathleen Becker stammt der einzige eigenständige Reiseführer für die Inseln. Ihr bei Bradt erschienenes Buch über São Tomé e Príncipe wird so beworben: „Tauchen Sie ein in die lokale Kultur, während Sie verlassene weiße Sandstrände, neblige Regenwälder und verfallene Plantagen erkunden.“ Becker liefere „unschätzbare Insider-Informationen, die Sie zu Wanderwegen führen, die sich an tosenden Wasserfällen vorbeischlängeln, zu den besten Plätzen zum Tauchen oder zur Schildkrötenbeobachtung und zu einer großen Auswahl an Unterkünften und Restaurants für jeden Geldbeutel“. Mit Boris Becker ist die Autorin übrigens nicht verwandt. Aber ihre Begeisterung für das westafrikanische Urlaubsparadies, die Vulkaninseln im Golf von Guinea, verbindet die beiden.

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