Österreichs Bundeskanzler Sebastian Kurz will regiden Kurs gegen Sozialflüchtlinge beibehalten (Quelle: ÖVP)
Österreichs Bundeskanzler Sebastian Kurz will regiden Kurs gegen Sozialflüchtlinge beibehalten (Quelle: ÖVP)

Wien – Die Infektionszahlen in Österreich sinken immer weiter. Am 21. Juni gab es mit 94 Corona-Fällen so wenige Neuinfektionen wie seit Anfang August 2020 nicht mehr. Am 14. Juni wurden landesweit noch 112 Neuinfektionen registriert. Das Sinken der Corona-Zahlen stimmt Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) sehr zufrieden: „Es ist erfreulich, dass wir wieder einen Meilenstein erreichen. Erstmals seit 10. August des Vorjahres verzeichnen wir unter 100 Neuinfektionen. Das zeigt, wie gut die Entwicklung derzeit ist. Wir sehen, wie stark die saisonalen Effekte sind und dass die Impfung wirkt.“ Trotzdem warnt der Regierungschef seine Landsleute vor Leichtsinn und appelliert an die Impfbereitschaft: „Wer noch überlegt, ob er sich impfen lässt, soll sich bitte für die Impfung entscheiden. Spätestens im Herbst werden die Ansteckungen wieder steigen, deshalb müssen wir uns bestmöglich schützen.“ Kurz erinnerte daran, dass mit Stand vom 21. Juni 2021 in Österreich 10.680 Menschen in Verbindung mit dem Coronavirus verstorben und 636.365 wieder genesen sind. Momentan sind 237 Personen Corona-bedingt in krankenhäuslicher Behandlung, von denen 80 auf Intensivstationen betreut werden. Das Bundesministerium für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz teilte gleichentags mit, dass im Land inzwischen 50,14 Prozent aller Menschen eine Corona-Schutzimpfung erhalten haben. Das Tempo bei den Schutzimpfungen sei unverändert hoch. Bisher hätten schon rund 6,9 Millionen Impfungen durchgeführt werden können, wodurch mehr als 4,4 Millionen Österreicher einen ersten Schutz gegen das Coronavirus erhalten hätten, hieß es seitens des Ministeriums. 

Die bleierne Zeit des Lockdowns und der Dauerstreit um die richtigen Öffnungsschritte prägen auch das politische Stimmungsbild. Würde jetzt ein neuer Nationalrat gewählt, käme die ÖVP auf nicht berauschende, aber solide 33 Prozent der Stimmen. Der grüne Koalitionspartner könnte mit 13 Prozent rechnen. Laut der vom Meinungsforschungsinstitut Unique research für „profil“ durchgeführten Umfrage käme die SPÖ auf 23 Prozent, die FPÖ auf 18 Prozent, und die NEOS könnten 11 Prozent erwarten. Bei der Kanzlerfrage liegt Sebastian Kurz derzeit bei 27 Prozent, was den demoskopischen Tiefstwert seiner bisherigen Amtszeit bedeutet. Damit liegt der ÖVP-Vorsitzende aber immer noch deutlich vor seinen möglichen Herausforderern: SPÖ-Chefin Pamela Rendi-Wagner würden nur 13 Prozent gerne als Regierungschefin sehen, den neuen FPÖ-Vorsitzenden Herbert Kickl wollen 11 Prozent als Bundeskanzler, und Werner Kogler von den Grünen und Beate Meinl-Reisinger von den NEOS wünschen sich jeweils nur sechs Prozent der Österreicher im Kanzleramt.

Sebastian Kurz scheinen die durchwachsenen Umfragewerte keineswegs zu demoralisieren, sondern eher noch anzuspornen, wieder den direkten Basiskontakt zu suchen. So meldete der „Kurier“, dass der Chef der Türkisen eine politische Sommertour durch die Bundesländer plane. Die Wiener Parteizentrale wird mit der Aussage zitiert, dass es nach der langen Corona-Zwangspause nun wieder an der Zeit sei, die Parteiarbeit aufzunehmen und gesellschaftspolitische Zuversicht zu verbreiten. Im Juli starte die Kanzler-Tour in Niederösterreich und gehe bis August durch alle Bundesländer einschließlich Oberösterreich, wo am 26. September ein neuer Landtag gewählt wird. 

Eine passende Botschaft für seine Rundreise hat der ÖVP-Chef, der sich auf einem für den 28. Augustgeplanten Bundesparteitag der Wiederwahl stellen will, natürlich auch und ruft einen „Sommer wie damals“ aus. Mit Blick auf wegfallende Corona-Maßnahmen sagte der 34-Jährige: „Wir werden mit 1. Juli die Sperrstunde wieder abschaffen, das heißt auch die Nachtgastronomie, Hochzeiten, Feiern, alles was Spaß macht am Abend und in der Nacht, kann wieder stattfinden. Es kann getanzt, gefeiert, geheiratet werden – mit 1. Juli ist all das wie angekündigt wieder möglich. Es bleibt die 3G-Regel überall dort erhalten, wo wir sie derzeit haben, das heißt unser Sicherheitsnetz – getestet, geimpft oder genesen – bleibt erhalten.“ Die Bundesregierung werde dem Handel und den öffentlichen Verkehrsmitteln aber den Umstieg von der FFP2-Maske auf den leichteren Mund-Nasen-Schutz ermöglichen.

Aber Kurz wäre nicht Kurz, wenn er nicht auch seinen Kernthemen wie innere Sicherheit und Zuwanderungskontrolle treu bliebe. So veröffentlichte er am 20. Juni auf seiner Facebook-Seite, die mehr als eine Million Personen abonniert haben: „Ich werde mich konsequent gegen jede Form der Politik stellen, die Anreize für illegale Migration erzeugt. Wir müssen die Außengrenzen konsequent schützen, um so den Druck auf Österreich und unser Sozialsystem zu verringern.“ Nach dem Westbalkangipfel in Wien und vor dem Europäischen Rat haben sich Kanzler Sebastian Kurz und Bundesinnenminister Karl Nehammer für ein klares Vorgehen bei Rückführungen bereits vor den Toren der EU ausgesprochen und damit ihre strenge Linie in der Migrationspolitik bekräftigt. Auch die jüngsten Forderungen aus dem linken Spektrum, Abschiebungen nach Afghanistan zu beenden, lehnen beide ÖVP-Politiker ab. Österreich werde nach wie vor sowohl freiwillige als auch zwangsweise Rückführungen nach Afghanistan durchführen. Rund 40 Prozent der abgeschobenen Afghanen seien verurteilte Straftäter. Kurz versicherte, jede EU-Asylreform abzulehnen, die mehr Migration erzeuge, und keinem Mechanismus zur Migrantenumverteilung in der EU zuzustimmen. Auch sagte er: „Österreich hat in den letzten Jahren mehr geleistet als die meisten EU-Länder.“ In der Tat zeigen die offiziellen Zahlen, wie hoch der Migrationsdruck auf Österreich ist: Seit 2015 gab es 130.000 Schutzgewährungen. Das Land liegt nach Deutschland und Schweden an dritter Stelle aller 27 EU-Staaten, wenn es um Schutzgewährungen geht, und gehört damit zur „Gruppe der Belasteten“ in der Europäischen Union. 

Karl Nehammer ergänzte die Ausführungen seines Regierungschefs: „Es braucht eine klare Trennung zwischen Asyl und Migration. Umso wesentlicher ist unser Fokus auf das Thema Rückführungen, weil es nicht sein kann, dass ein Migrant aus Bangladesch überhaupt bis nach Österreich kommt, um dann zu erfahren, dass er kein Recht auf Asyl hat.“ Der Innenminister vereinbarte mit seinem bosnischen Amtskollegen den Start eines konkreten Projektes, um Rückführungen schon aus Bosnien zu organisieren. Erklärtes Ziel ist es, Drittstaatsangehörige aus Ländern ohne Bleibewahrscheinlichkeit in der EU direkt aus Bosnien in ihr Herkunftsland zurückzubringen.

Die „Tiroler Tageszeitung“ notierte zum klaren Migrationskurs des Bundeskanzlers: „Die Türkisen wollen, dass Menschen gar nicht erst nach Europa und an die österreichischen Grenzen kommen. Ob das funktionieren kann, ist fraglich. Wichtig ist das Kalkül: Die ÖVP und Kanzler Sebastian Kurz wollen jene Wählerinnen und Wähler bei der Stange halten, die zuletzt ihnen und nicht den Freiheitlichen die Stimme gegeben haben.“ Je weiter die FPÖ unter ihrem neuen Obmann Herbert Kickl nach rechts rücke, umso unnachgiebiger werde die ÖVP, glaubt Leitartikler Wolfgang Sablatnig.

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