Wien – In Österreichs aktuellen Meinungsumfragen kratzen die NEOS an der magischen 10-Prozent-Marke und könnten damit ihr 8,1-Prozent-Ergebnis der letzten Nationalratswahl um rund 20 Prozent steigern. Die konstruktive Kritik am Corona-Krisenmanagement der türkis-grünen Bundesregierung scheint bei immer mehr Österreichern Anklang zu finden. Die hohen Infektions- und Todeszahlen werden zunehmend als Beleg dafür gewertet, dass es Kanzler Sebastian Kurz (ÖVP), Vizekanzler Werner Kogler (Grüne) und Gesundheitsminister Rudolf Anschober (Grüne) seit dem Frühjahr nicht gelungen ist, die Alten- und Pflegeheime als Corona-Brennpunkte zu schützen.„Nachdem ÖVP und Grüne es seit März nicht geschafft haben, die Gesundheit der Risikogruppen zu schützen, greifen sie nun auch noch massiv in die Freiheitsrechte aller Bürgerinnen und Bürger ein“, klagte unlängst der stellvertretende NEOS-Klubobmann Niki Scherak. „Mit dem dritten harten Lockdown versucht die Regierung von ihrem völligen Versagen abzulenken.“ Die Bundesregierung habe mit ihrem planlosen Hin und Her bedauerlicherweise viel Vertrauen der Menschen verspielt. In dieselbe Kerbe schlug der zweite Klubobmann-Stellvertreter der Pinken. „Die Bundesregierung versucht beim Krisenmanagement in drei Richtungen gleichzeitig zu gehen. Das Ergebnis ist völliges Chaos“, konstatierte Gerald Loacker. In Richtung ÖVP und Grüne mahnte er: „Die Menschen müssen der Regierung vertrauen können, sonst werden wir diese Krise nicht gemeinsam meistern.“
Auch die „Tiroler Tageszeitung“ sorgt sich um den rasanten Vertrauensverlust durch das Corona-Hickhack der politischen Entscheidungsträger. Unter dem Titel „Scherben zum neuen Jahr“ schrieb Wolfgang Sablatnig: „Das neue Jahr beginnt in Sachen Corona so, wie das alte geendet hat: Die Regierung legt halbfertige Vorschläge vor – und die Opposition lehnt ab. Eine sachliche Annäherung? Nicht in Sicht. Die FPÖ will die grundsätzlichen Gegner der Corona-Maßnahmen einsammeln. Aber auch SPÖ und NEOS werden im Ton schärfer.“ Der Leitartikler analysierte: „Nach wie vor schaffen es die Behörden in Bund und Ländern zudem nicht, vergleichbare Infektionszahlen vorzulegen. Und zu allem Überfluss bleibt nach widersprüchlichen Aussagen offen, wie es an den Schulen weitergeht. Dass viele Menschen das Vertrauen verlieren, verwundert bei diesem Scherbenhaufen nicht.“ Das traurige Fazit laute, dass immer noch niemand damit begonnen habe, diesen wegzuräumen.
Der Parlamentsklub der NEOS will dafür Impulse geben und fordert zur Schadensbegrenzung wenigstens eine funktionierende Teststrategie anstelle freiheitseinschränkender Maßnahmen. Damit alle Bürger die Möglichkeit hätten, sich regelmäßig zu testen, bedürfe es der Kooperation mit Betrieben und Apotheken. Gerald Loacker warf der Regierung am 5. Dezember einen völlig verpatzten Impfstart vor. Die ganze Welt habe zehn Monate auf die Impfung gegen Covid-19 gewartet und es auch weitgehend geschafft, sich in dieser Zeit eine funktionierende Impflogistik aufzubauen, um schnell losimpfen zu können. „Nur Österreich lässt die rettenden Impfdosen wochenlang liegen und muss erst einmal einige wenige Auserwählte ‚probeimpfen‘. Dieses Schneckentempo ist unverantwortlich und lebensgefährlich“, schimpfte der NEOS-Gesundheitssprecher. Er forderte Grünen-Minister Anschober und dessen Corona-Sonderbeauftragten Auer auf, aufzuwachen und „sehr viele Zähne zuzulegen“. Sonst bleibe Österreich bis zum Sanktnimmerleinstag im Lockdown gefangen und spinne Ideen wie das ,Freitesten‘ weiter, während der Rest der Welt längst freigeimpft sei.
Den NEOS stößt nicht nur die fahrlässige Langsamkeit, sondern auch die Intransparenz und das Datenchaos bei den Impfungen auf. Mit einer umfangreichen Anfrage an das zuständige Ministerium und die Bundesländer versuchen sie dem schleppenden Impfstart auf den Grund zu gehen. So wollen die Liberalen unter anderem in Erfahrung bringen, von welchen Anbietern die Bundesregierung wie viele Covid-Impfdosen bestellt hat und wie viele Dosen davon bereits verimpft sind. Wissen will man auch, nach welchen Kriterien die Impfdosen verteilt werden und wie erfasst wird, welche Institutionen wie viele Dosen erhalten und letztlich auch verabreicht haben. Weitere Fragen sind: „Wie viele Covid-Impfdosen bezieht Österreich über das EU-Kontingent? Und wie viele über zusätzliche Bestellungen?“ Der Nationalratsabgeordnete Loacker zog eine bittere Zwischenbilanz des entstandenen Impfchaos: „Jeden Tag sterben Menschen in Alters- und Pflegeheimen, weil die Regierung die gefährdetsten Einrichtungen wider besseres Wissen bis heute nicht ausreichend schützt.“
Aus Sicht der Pinken steht der Erfolg der Impfkampagne in einem direkten Zusammenhang mit der Länge des Lockdowns und damit der wirtschaftlichen Entwicklung. Denn je schneller Österreich durchgeimpft ist oder zumindest eine Herdenimmunität erreicht hat, desto eher wird die türkis-grüne Bundesregierung von ihrer rigiden Corona-Politik abrücken und die Wirtschaft wieder von den Lockdown-Fesseln befreien. Gastronomie, Hotellerie und Handel fühlen sich längst als hilfloser Spielball einer Politik, die ihre wirtschaftlichen Existenzsorgen nicht ernst nimmt. Das Regierungschaos rund um das „Freitesten“ und dessen Ergebniskontrolle verstärkt den Frust der Gewerbetreibenden noch. Die wollen endlich wieder Licht am Ende des Tunnels sehen und relativ verlässlich wissen, wann sie wieder Geld verdienen dürfen. Scharfe Kritik im Sinne der Wirtschaft kommt von Sepp Schellhorn: „Was immer gefehlt hat und nach wie vor schmerzhaft fehlt, ist ein planvoller Weg aus dem Lockdown. Davon will die Regierung jetzt mit ihrem Märchen, die Opposition habe irgendeine Öffnung oder Lockerung blockiert, ablenken.“ ÖVP und Grüne sollten aufhören, die Opposition als Sündenbock für ihr eigenes Versagen hinzustellen und lieber zusehen, dass der wenige Impfstoff, den sie für Österreich gesichert haben, schnell verimpft wird, ätzte der Wirtschafts- und Tourismussprecher der NEOS. Das und klare Ansagen würden den Betrieben wirklich helfen.
Gangbare Lösungen fordern auch die Eltern, die befürchten, dass ihre schulpflichtigen Kinder wochen- oder gar monatelang um den Unterricht gebracht werden. Die Bildungssprecherin der NEOS, Martina Künsberg Sarre, erinnerte daran, dass ihrerseits seit Langem Vorschläge unterbreitet werden, wie Infektionsschutz und Präsenzunterricht unter einen Hut gebracht werden können. „All das hat die Regierung aber leider bis heute nicht zusammengebracht. Sie kennt auch in den Schulen nur stures Auf-Zu-Auf-Zu und lässt Schülerinnen und Schüler, Lehrerinnen und Lehrer und die Eltern und deren Arbeitgeber weiter im Regen stehen“, beklagte die Bildungspolitikerin.