Silvio Berlusconi bestimmt seit den 1990er Jahren das politische Tempo in Italien maßgeblich mit (Quelle: Facebook)
Silvio Berlusconi bestimmt seit den 1990er Jahren das politische Tempo in Italien maßgeblich mit (Quelle: Facebook)


Rom – In Italien zeichnet sich mit dem politischen Zusammengehen von Matteo Salvini und Silvio Berlusconi eine Art Marktbereinigung ab, die das mittig-rechte Lager der Regierungsübernahme näherbringen soll. Der frühere Innenminister und der Ex-Premier planen den Zusammenschluss ihrer Parteien. Bis zur nächsten Parlamentswahl, die spätestens 2023 stattfinden wird, sollen die rechte Lega und die konservative Forza Italia fusionieren. „Berlusconi hat eine einzige Mitte-rechts-Partei vorgeschlagen, doch ich habe mir Zeit gelassen. Man kann in zwei Wochen keine gemeinsame Partei erfinden“, sagte Salvini im öffentlich-rechtlichen Sender Rai 1. Berlusconi solle in dem Mitte-rechts-Bündnis eine „fundamentale Rolle“ spielen. Salvini stellte klar: „Ich wünsche mir, dass das Mitte-rechts-Lager eine stabile Kraft ist.“ Kritische Journalisten unken von einer „feindlichen Übernahme“ der biederen Berlusconi-Partei durch die rechtspopulistische Lega. Für sie ist klar, dass der 48-jährige Salvini und nicht der 84-jährige Berlusconi den Ton angeben wird. Im Wirtschaftsleben würde es heißen: Salvini wird CEO und sein Partner Aufsichtsratsvorsitzender.

Rechte Lega und konservative Forza Italia auf Vereinigungskurs

Der Lega-Chef und Berlusconi einigten sich bereits auf eine „Föderation“ ihrer Parteien im nationalen Parlament. Ziel ist die Bildung einer gemeinsamen Fraktion, die die Regierung von Premier Mario Draghi unterstützt. Dieser Mitte-rechts-Föderation wird wohl auch die neugegründete Partei Coraggio Italia („Mut Italien“) beitreten, deren Fraktionschef Marco Marin ursprünglich für die Forza Italia ins Parlament eingezogen ist. Die Rechtspartei Fratelli d‘Italia („Brüder Italiens“,FDI) von Giorgia Meloni wird der Föderation hingegen fernbleiben, weil sie in Gegnerschaft zum EU-freundlichen Kurs des ehemaligen EZB-Präsidenten Draghi steht. Salvini, dem ein gutes Verhältnis zu Meloni nachgesagt wird, kommentierte das knapp mit den Worten: „Es ist schwierig, Regierungs- und Oppositionskräfte zu bündeln.“ Die „Brüder Italiens“ wollen lieber mit einem harten Oppositionskurs punkten und können ohne Regierungsbeteiligung unpopuläre Entscheidungen Draghis nach Herzenslust attackieren. Das kommt gut an. Nach einer aktuellen Umfrage des Meinungsforschungsinstituts SWG liegen die FDI mit 20,1 Prozent derzeit auf Platz zwei im Parteienranking. 

Salvini und Berlusconi haben neben der nationalen Parlamentswahl die nahenden Bürgermeisterwahlen in 1.300 Gemeinden im Blick. Mit gemeinsamen Kandidaten wollen sie im Oktober reihenweise „rote“ Rathäuser erobern und konservative verteidigen. Die Wahlen in Großstädten wie Rom, Turin, Bologna, Mailand und Neapel werden dann zeigen, wo die Parteien jenseits der Meinungsumfragen wirklich stehen. 

Beobachter gehen davon aus, dass Salvini seiner von über 30 auf rund 20 Prozent abgesackten Partei eine Bluttransfusion verpassen will, um sie im innerrechten Wettbewerb mit den Fratelli d’Italia zu stärken. Beim demoskopischen Kopf-an-Kopf-Rennen von Lega und FDI kann der Ex-Innenminister die sechs bis sieben Umfrage-Prozentpunkte der Forza Italia gut gebrauchen, um seine Machtbasis zu verbreitern und seinen Führungsanspruch im rechten Lager zu unterstreichen. Die Parteien von Salvini und Meloni liegen beide mit rund 20 Prozent fast gleichauf. Das wirft zwangsläufig die Frage der Spitzenkandidatur bei der nächsten Parlamentswahl auf, die sich der gebürtige Mailänder unbedingt sichern will. 

Dafür muss aber Berlusconi mitspielen und seiner Fusionszusage treu bleiben. Seine persönliche Meinung über Salvini soll nicht die beste sein, weil er ihn in der Vergangenheit für einen Polit-Rüpel hielt. Auch gibt es innerhalb der Forza Italia noch Vorbehalte gegen Salvinis konsequente Anti-Migrationspolitik. Zu den Skeptikern gehören die Ministerinnen Mariastella Gelmini und Mara Carfagna. Silvio Berlusconi dürfte das Zusammengehen der Mitte-rechts-Parteien aber durchboxen, weil er seine politische Laufbahn mit einem ganz bestimmten Amt krönen will: dem des Staatspräsidenten. Und die Chancen stehen gut, weil 2022 Amtsinhaber Sergio Mattarella abtritt. Seine eigenen Gesundheitsprobleme und ein längerer Krankenhausaufenthalt würden definitiv nicht zu seinem Rückzug aus der Politik führen, betonte der Medienmogul. „Mir geht es zum Glück besser und ich bleibe im Spiel.“

Für Debatten mit der Lega dürfte freilich eine Namensidee des langjährigen Ministerpräsidenten führen. So kann er sich für die neue Partei den Namen „Centrodestra Unito" (Mitte-Rechts vereinigt) mit dem Kürzel CDU vorstellen. Diese sprachliche Anlehnung an die deutsche CDU ist gewollt. Deren Werte sieht der 84-Jährige als Referenzrahmen an, wie er der Zeitung „Corriere della Sera“ sagte.Der neue politische Block müsse auf freien, christlichen und europäischen Prinzipien fußen.„Wir haben fast zwei Jahre Zeit bis zu den Parlamentswahlen 2023, um eine geeinte Mitte-rechts-Bewegung von unten aufzubauen, und zwar unter Einbeziehung vieler Aktivisten und auch Vertreter der Zivilgesellschaft, die heute weit weg von der Politik sind“, so Berlusconi.

Dem Gespann Salvini/Berlusconi kommt es sehr gelegen, dass just in dem Moment, in dem sie ihre Kräfte bündeln, Italiens größte Regierungspartei vor einer historischen Zerreißprobe steht. In der Fünf-Sterne-Bewegung (M5S) tobt ein heftiger Machtkampf um die Parteiführung zwischen Gründer Beppe Grillo und Italiens Ex-Premier Giuseppe Conte. Der früher Parteilose hatte sich nach seinem Rücktritt als Ministerpräsident den linkspopulistischen Fünf Sternen angeschlossen. Grillo, der Komiker, der zum Parteigründer wurde, hatte Conte mit der politischen Restrukturierung der M5S beauftragt. Nun will er ihn gewohnt polternd loswerden, weil er das Projekt des ehemaligen „Volksanwalts“ für gescheitert hält. Die linksliberale Tageszeitung „La Repubblica“ sorgt sich deshalb um die größte Stütze der Mehrparteien-Regierung von Mario Draghi. Dort heißt es mit historischen Anleihen zum Machtkampf zwischen Grillo und Conte: „Es hat noch nie eine reibungslose Übergabe in einer politischen Bewegung gegeben, die vom Charisma des Führers getragen wurde. Vatermord ist die einzig mögliche Methode der Nachfolge. Es kann allerdings passieren, und es geschieht eher oft, dass der Leader nicht die Absicht hat, wie Cäsar in den Iden des März zu enden. Und statt sich die Toga über den Kopf zu ziehen, um der Freveltat Brutus nicht ansichtig zu werden, beginnt er, auf seine Angreifer einzuschlagen.“ Dann wird das regierungsnahe Blatt konkreter: „Die Bombe, die Beppe Grillo gestern auf Conte geworfen hat, war also vorhersehbar. Unvorhersehbar sind allein die Folgen, sowohl was die Stabilität der Regierung Draghi, als auch die politische Zukunft des ehemaligen ‚Anwalts des Volkes‘ anbelangt.“ Matteo Salvini und Silvio Berlusconi können die Selbstzerstörung einer großen Konkurrenzpartei in aller Ruhe beobachten und still genießen. Ihr Gewicht in der italienischen Politik ist schon jetzt gewachsen.

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