Terlan/Bozen – „Wir arbeiten für Südtirol und seine Menschen. Wir bekennen uns zu unserem Heimatland Südtirol, zu seinen drei Volksgruppen, seiner Kultur- und Naturlandschaft, zum Minderheitenschutz und dem Ausbau der Selbstverwaltung zur Unabhängigkeit“, beschreiben die Südtiroler Freiheitlichen ihr Selbstverständnis. Die Partei, die ihren Sitz in Terlan in der direkten Nachbarschaft Bozens hat, sieht in der Demokratie, der Rechtsstaatlichkeit und der sozialen Marktwirtschaft das Fundament ihrer Politik. „Gerechtigkeit, Eigenverantwortung, Heimat, Fleiß, Fürsorge und Regionalität zählen zu unseren Prinzipien“, formuliert die Bruderpartei der FPÖ und bekennt sich „zur Schutzmacht Österreich sowie zu einem Europa der freien Völker, Regionen und Vaterländer“.

Momentan geht es aber auch in Südtirol nicht um die großen Linien der Politik, sondern um die ganz konkrete Bewältigung der Corona-Krise. Seit dem Ausbruch sind nach offiziellen Zahlen rund 25.000 Südtiroler positiv auf das Coronavirus getestet worden. Die Dunkelziffer liegt laut aktueller Einschätzung des deutschen Robert-Koch-Instituts bei einem Durchschnittsfaktor von vier bis sechs. Für den Süden Tirols bedeutet das, dass bereits zwischen 100.000 und 150.000 Menschen immun gegen das Virus sein könnten. Obgleich erst bei einer Durchseuchungsrate von 50 bis 70 Prozent von einer Herdenimmunität gesprochen wird, könnte die Feststellung von natürlichen Antikörpern in der Bevölkerung ein wichtiges Element der Virusbekämpfung sein. Davon sind jedenfalls die Freiheitlichen überzeugt und verweisen auf eine jüngst veröffentlichte Studie der Universitätsklinik Innsbruck zur Corona-Langzeitimmunität. Demnach besteht für Genesene keine Gefahr einer Neuinfektion, weshalb sie auch für ihre Mitmenschen nicht mehr ansteckend sind. Die körpereigenen Antikörper sorgen nach Einschätzung der Wissenschaftler für eine stabile Langzeitimmunität. „Als Vertreter einer freiheitlich demokratischen Gesellschaft sind wir dazu verpflichtet, alle wissenschaftlichen Erkenntnisse zu analysieren, zu bewerten und in unsere politischen Entscheidungen einfließen zu lassen“, betonte der freiheitliche Landtagsabgeordnete Andreas Leiter Reber. „Wir dürfen daher nicht allein auf die ‚künstliche‘ Impfung als effizientestes Mittel gegen die Pandemie setzen, sondern haben auch die ‚natürliche Impfung‘ in Form der natürlichen Immunität durch eigene Antikörper zu berücksichtigen.“

Den Südtiroler Freiheitlichen, die seit der letzten Landtagswahl im Oktober 2018 noch mit zwei Abgeordneten im Bozener Landesparlament vertreten sind, sind solche wissenschaftlichen Erkenntnisse hochwillkommen, um die regionale Wirtschaft wieder aus dem Würgegriff des Lockdowns zu befreien. Mit Blick auf eine entsprechende Regelung in Österreich verlangten sie im Landtag die Öffnung der Aufstiegsanlagen und Pisten für Einheimische 

ab dem 24. Dezember

. Im Sinne einer freien unternehmerischen Entscheidung sollten die Betreiber selbst abwägen, ob sie ihre Anlagen für die einheimischen Wintersportler in Betrieb nehmen oder nicht. „Seit dem 20. November sinkt die Zahl der Südtiroler Neuinfizierten. Sport und Bewegung im Freien sowie die Stärkung des eigenen Immunsystems sind für die physische und psychische Gesundheit genauso wichtig wie andere Corona-Schutzmaßnahmen“, argumentierte die freiheitliche Landtagsabgeordnete Ulli Mair. Die 46-Jährige mahnte, dass in einem Wintersportland wie Südtirol zumindest der ansässigen Bevölkerung die sportliche Aktivität im Freien ermöglicht werden müsse. „Wir fordern die Landesregierung dazu auf, die Voraussetzung zu schaffen, dass Skigebiete und Aufstiegsanlagen unter Einhaltung der Abstands- und Hygieneregeln ab Weihnachten für die einheimische Bevölkerung öffnen dürfen“, so die Bozenerin. Andreas Leiter Reber ergänzte: „Vom Skisport selbst geht bekanntermaßen keine Infektionsgefahr aus. Nachdem Hotels, Restaurants, Hütten genauso wie der Handel offen haben, ist eine Schließung der Aufstiegsanlagen aus epidemiologischer Sicht keineswegs verhältnismäßig.“

Der 38-Jährige, der in Meran geboren wurde und heute in Marling lebt, sorgt sich nicht nur um die heimische Tourismusbranche in Corona-Zeiten. Nach seiner Matura an der Oberschule für Landwirtschaft war er mehrere Jahre Bauernvertreter im SVP-Ortsausschuss und übernahm dann den elterlichen Hof. Es liegt gewissermaßen in der politischen DNA der Freiheitlichen, sich für die Bauernschaft einzusetzen, die untrennbar mit der Geschichte, Kultur und Identität Südtirols verbunden ist. Für Leiter Reber ist die Vertretung bäuerlicher Interessen wegen seines eigenen Werdegangs eine ganz besondere Verpflichtung: „Gute Landwirtschaftspolitik heißt, die Rentabilität unserer Betriebe durch gute Rahmenbedingungen zu erleichtern. Aufgrund der äußerst gering verfügbaren landwirtschaftlichen Nutzfläche und unserer kleinen, familiengeführten Höfe bilden der Schutz von Grund und Boden, eine hochwertige Lebensmittelproduktion, eine individuelle Möglichkeit des Zu- und Nebenerwerbs und eine gezielte Förderung die Lebensgrundlage unserer bäuerlichen Familien.“ Dem Politiker macht es Sorgen, dass die Zahl der Haupterwerbsbauern rückläufig ist. Dieser Entwicklung will er mit der Erzeugung und Vermarktung innovativer Produkte begegnen und dafür auch die öffentliche Hand in die Pflicht nehmen. In diesem Zusammenhang verlangt er eine praxisgerechte und realitätsnahe Anwendung von EU-Richtlinien.

Wie ihre Partner von der FPÖ haben die Südtiroler Freiheitlichen darauf geachtet, selbst in Corona-Krise nicht ihre Kernprogrammatik zu vernachlässigen. Im Oktober forderten ihre beiden Landtagsabgeordneten in einem Beschlussantrag, für mehr Gerechtigkeit im sozialen Wohnungsbau zu sorgen, indem die Kriterien für den Erhalt einer Sozialwohnung verschärft werden. Um den Sozialmissbrauch durch Ausländer bei der Familienzusammenführung zu unterbinden, sollten Antragsteller künftig nur noch für jene Familienmitglieder zusätzliche Ranglistenpunkte erhalten, die seit mindestens fünf Jahren im Land ansässig sind. „Derzeit werden die Ranglisten für den Erhalt einer Sozialwohnung allzu oft durch den Familiennachzug aus dem Ausland verzerrt“, erläuterte Leiter Reber.Bislang sei es so, dass mit dem Nachzug des Vaters oder der betagten Mutter aus Marrakesch die Ranglisten so verzerrt werden, dass Südtiroler wieder weit nach hinten rücken. Der Landesparteiobmann der Freiheitlichen beklagte eine fatale Sogwirkung: „Dieser Umstand stellt für sehr viele Zuwanderer einen Anreiz dar, über die Familienzusammenführung möglichst rasch ihre Eltern aus dem Herkunftsland nach Südtirol zu holen, um dadurch die eigenen Chancen auf den Erhalt einer Sozialwohnung zu verbessern und gleichzeitig das Gesundheitssystem für die oftmals betagten Familienmitglieder zu nutzen.“ Die Freiheitlichen forderten die Landesregierung deshalb auf, die weitere Einwanderung in das Sozialsystem zu verhindern und „nicht länger dabei zuzusehen, wie Südtiroler bei der Vergabe von Sozialwohnungen den Kürzeren ziehen“. Andreas Leiter Reber und Ulli Mair haben mit ihrem Beschlussantrag daran erinnert, dass in Südtirol auch jenseits von Corona viele Probleme der Lösung harren.

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