Bozen – Die Managerqualitäten von Südtirols Landeshauptmann Arno Kompatscher (Jahrgang 1971) sind derzeit gefragt wie nie zuvor. Die Pandemie hat die Politik europaweit Shutdown- und Lockdown-Maßnahmen beschließen lassen, um die Ausbreitung des Coronavirus einzudämmen. Das gezielte Herunterfahren bestimmter Wirtschaftsbereiche hat jedoch viele Unternehmen wegen wegbrechender Einnahmen in eine existenzbedrohende Schieflage gebracht. In Bozen sieht man deshalb großen Handlungsbedarf. Auf bestmögliche Existenzsicherung zielt ein umfassendes Paket von Corona-Hilfen ab, das die Südtiroler Landesregierung aus liberal-konservativer SVP und rechtsgerichteter Lega geschnürt hat. Mit einem ganzen Maßnahmenbündel und einer halben Milliarde Euro sollen heimische Arbeitnehmer, Familien, Freiberufler und Unternehmen finanziell abgesichert werden.
Am 5. März informierten Arno Kompatscher, seine Landeshauptmann-Stellvertreterin Waltraud Deeg sowie die Landesräte Philipp Achammer und Arnold Schuler im Rahmen einer Pressekonferenz über die Unterstützungsmaßnahmen im Volumen von rund 500 Millionen Euro. Die Corona-Krise habe das Familien- und Arbeitsleben erheblich belastet und die wirtschaftliche Tätigkeit stark eingeschränkt, bedauerte der Landeshauptmann. Angesichts massiver Einkommensverluste für viele Südtiroler gehe es nun darum, „Familien zu unterstützen, damit sie ihre Ausgaben auch weiterhin bestreiten können, und darum, dass Unternehmen ihren Verpflichtungen nachkommen können“. Deshalb habe die Landesregierung zusätzlich zu den schon gewährten staatlichen Hilfen ein Rettungspaket auf den Weg gebracht, das Maßnahmen für alle Bereiche enthalte. Einige dieser Maßnahmen seien sofort wirksam, für andere müssten noch die notwendigen rechtlichen Voraussetzungen im Landtag und in der Landesregierung geschaffen werden, so der langjährige Bürgermeister seiner Geburtsgemeinde Völs am Schlern.Das Paket beinhaltet Corona-Hilfen für Einzelpersonen und Familien in Höhe von 55 Millionen Euro, um die bestehenden Sozialmaßnahmen zu ergänzen. Unternehmen werden Verlustbeiträge von 100 Millionen Euro und Fixkostenzuschüsse von 280 Millionen Euro gewährt. Außerdem ist ein Reservefonds für weitere Maßnahmen mit 65 Millionen Euro bestückt worden. Das ergibt das stolze Fördervolumen von einer halben Milliarde Euro. Außerdem werden Darlehen aus dem Rotationsfonds im Umfang von 100 Millionen Euro gestundet und weitere 150 Millionen Euro für die Aussetzung aller Gemeindesteuern und Abgaben eingeplant. „Zielsetzung der wirtschaftlichen Maßnahmen ist, die Existenz von Südtiroler Betrieben zu sichern und damit Arbeitsplätze zu erhalten“, ergänzte Landesrat Philipp Achammer die Ausführungen Kompatschers.
Volle Rückendeckung erhielt der Landeshauptmann natürlich von der Südtiroler Volkspartei, die das Beschlossene so kommentierte: „Das ist der richtige Weg, um jetzt schwer getroffenen Arbeitnehmern, Familien, Freiberuflern und Unternehmern aus der Krise zu helfen. Existenz- und Arbeitsplatzsicherung stehen für uns im Vordergrund.“ Für die Corona-Situation könne es ja „keine allumfassende Lösung geben“, unterstrich der SVP-Fraktionsvorsitzende Gert Lanz. Die Landesregierung habe aber mit Sorgfalt und Weitsicht die Riesensumme von einer halben Milliarde Euro bereitgestellt, um gezielt die Existenz vieler Südtiroler abzusichern.
Da lässt es aufhorchen, dass laut dem AXA Mental Health Report doppelt so viele Frauen wie Männer in der Corona-Zeit mit psychischen Problemen zu kämpfen haben. Schulschließungen und eingeschränkte Kinderbetreuung führen vor allem bei ihnen zu Mehrfachbelastungen. Schon ohne Corona haben viele Frauen einen täglichen Balanceakt zwischen Kindern, pflegebedürftigen Angehörigen und Berufstätigkeit zu meistern. Um solche Belastungen abzufedern, stützen sich viele Frauen auf soziale Netzwerke, die durch die Maßnahmen zur Virus-Eindämmung aber auf ein Minimum reduziert wurden. Auch Arno Kompatscher erkennt das Problem, dass pandemiebedingt vor allem für Frauen die Arbeitslast und Mehrfachbelastung deutlich gestiegen ist.
Der siebenfache Familienvater und Landesrat für Chancengleichheit betonte deshalb anlässlich des internationalen Frauentages: „In den vergangenen Monaten haben die Ungleichheiten zwischen Frauen und Männern im Verlauf der Pandemie zugenommen. Gleichzeitig wurde aber auch deutlich, wie wichtig es ist, aktiv an der Chancengleichheit weiterzuarbeiten.“ Die Welt mit und nach Corona müsse das Potenzial aller Menschen ganz unabhängig von der Geschlechtszugehörigkeit ausschöpfen. „Dafür wird es nötig sein, weitere Hürden zu überwinden, um wirkliche Gleichbehandlung umzusetzen“, sagte der 49-Jährige. Durch die Erarbeitung eines Gleichstellungsaktionsplanes soll Südtirol künftig über ein Planungsinstrument verfügen, das mit konkreten Aktionen die Chancengleichheit fördert. Der Landeshauptmann stellte in diesem Zusammenhang klar: „Die Ungleichbehandlung von Frauen lässt sich rationell nicht erklären: Frauen stellen ihre Fähigkeiten und Fertigkeiten tagtäglich in den unterschiedlichsten Bereichen unter Beweis. Dennoch gelingt es nur wenigen, die gläserne Decke zu durchbrechen. Es braucht ein gesellschaftliches Umdenken, um das vorhandene Potential zugunsten der Gesellschaft besser als bisher zu nutzen.“ Gerade in Innovationsbranchen wird objektiv jeder helle Kopf beiderlei Geschlechts gebraucht.
Dem Diplom-Juristen und früheren Lehrer für Rechtskunde und Volkswirtschaftslehre ist sehr bewusst, welche große Rolle Forschung und Wissenschaft für die wirtschaftliche Erholung in der Post-Corona-Ära spielen. Dafür hat Südtirol beste Ausgangsbedingungen. Der Anteil der Ausgaben für Forschung und Entwicklung am Bruttoinlandsprodukt ist 2018 im Vorjahresvergleich auf 0,84 Prozent gestiegen, und immer mehr Südtiroler finden in diesem Sektor gut bezahlte Arbeit. Diese positive Entwicklung hat Anfang März unter Vorsitz Kompatschers der Rat für Wissenschaft, Forschung und Innovation in einer Videokonferenz gewürdigt. „Forschung und Innovation in Südtirol wachsen“, bilanzierte der Regierungschef und sprach von einer ermutigenden Entwicklung, die auch notwendig sei, um die Wettbewerbs- und Zukunftsfähigkeit des Heimatlandes zu sichern. Als „maßgebliches Planungs- und Orientierungsdokument für die Zukunft“ diene die neue Innovationsstrategie, die derzeit gemeinsam mit den Stakeholdern entwickelt werde. Das alles zeigt, dass Kompatscher schon zielstrebig die Weichen für die Wirtschaftserholung nach der Corona-Plage stellt.