Die Landtagsabgeordnete der Südtiroler Freiheitlichen Ulli Mair
Die Landtagsabgeordnete der Südtiroler Freiheitlichen Ulli Mair


Bozen – Am 22. Oktober 2023 wählten die Südtiroler ihren neuen Landtag. Landeshauptmann Arno Kompatscher musste mit seiner seit Ewigkeiten regierenden Südtiroler Volkspartei empfindliche Verluste hinnehmen. Die SVP rutschte von 41,9 Prozent im Jahr 2018 auf 34,5 Prozent ab und kam nur noch auf 13 von 35 Mandaten im Landesparlament. Das Team K von Paul Köllensperger büßte 4,1 Prozent ein und landete bei 11,1 Prozent und vier Mandaten. Drittstärkste Kraft mit ebenfalls vier Sitzen wurde die oppositionelle Süd-Tiroler Freiheit, die von 6,0 auf 10,9 Prozent hochschoss. Die Grünen legten auf 9,0 Prozent zu, konnten aber trotzdem nicht die Zahl von drei Mandaten erhöhen. Die Fratelli d’Italia (Brüder Italiens) von Ministerpräsidentin Giorgia Meloni steigerten sich auf 6,0 Prozent und haben nun zwei Mandate. Die JWA von Ex-Schützenkommandat Jürgen Wirth Anderlan schaffte 5,9 Prozent und gleichfalls zwei Mandate. Der Stimmenanteil der Südtiroler Freiheitlichen sank von 6,2 auf 4,9 Prozent, aber er reichte noch für zwei Sitze. Jeweils ein Mandat erreichten die rechtsgerichtete Lega, der sozialdemokratische Partito Democratico, die Liste „Für Südtirol mit Widmann“, La Civica sowie Vita.

 

Für die Freiheitlichen werden weiterhin Ulli Mair und Andreas Leiter Reber dem Landtag angehören, während Spitzenkandidatin Sabine Zoderer den Einzug verfehlte. Trotz Einbußen war Mair mit 7.883 Vorzugsstimmen die bestplatzierte Freiheitliche vor Andreas Leiter Reber mit 5.320 Stimmen. Die Politikerin, die seit 20 Jahren dem Landtag angehört, kommentierte den Wahlausgang so: „Auch wenn wir das gesteckte Ziel nicht erreicht haben, werden wir im Landtag für die Südtirolerinnen und Südtiroler kämpfen und das in uns gesetzte Vertrauen umsetzen.“

 

Nach ihrem enttäuschenden Abschneiden herrschte bei den Freiheitlichen dicke Luft, und das Personalkarussell begann sich zu drehen. Nach einer kontroversen Vorstandssitzung erklärte Obfrau Sabine Zoderer nicht nur ihren Rückzug von der Parteiführung, sondern gleich auch noch ihren Parteiaustritt. Das ist in mehrfacher Hinsicht ein Paukenschlag, denn sie war erst Anfang Februar Chefin der Südtiroler Freiheitlichen geworden. Die Gemeinderätin von Partschins zeigte sich damals zuversichtlich, dass ihre Partei bei den Landtagswahlen im Herbst mehr als zwei Sitze erhält. Viele Parteimitglieder machen nun sie für die Einbußen verantwortlich. Die 43-Jährige holte den großen Knüppel raus und warf Ulli Mair und Pius Leitner vor, sie zur Niederlegung des Parteivorsitzes gedrängt zu haben. „Ich möchte betonen, dass mir die menschliche Kälte und die vielen unfairen Vorwürfe, die mir während der jüngsten Parteisitzung entgegengebracht wurden, persönlich sehr weh getan haben“, formulierte Zoderer in einem offenen Brief. „Aufgrund der völlig überzogenen und unmenschlichen Art und Weise wie ich von Ulli Mair, Pius Leitner und anderen Vorstandsmitgliedern zum Rücktritt gedrängt wurde, kündige ich auch meine Mitgliedschaft.“

 

Am 28. Oktober wandte sich Ulli Mair mit einer langen Richtigstellung an die Öffentlichkeit und wies die Anschuldigungen der bisherigen Blauen-Chefin zurück. Sie entsprächen nicht der Wahrheit: So sei die Atmosphäre der Vorstandssitzung weder sozial kalt noch unmenschlich gewesen. „Wir haben unser Wahlergebnis, mit welchem weite Teile der Partei verständlicherweise nicht zufrieden sind, analysiert und eine unbeschönigte, klare, auch harte Fehleranalyse vorgenommen“, schrieb Mair bei Facebook. Das sei in Parteien so üblich und müsse eine Obfrau wissen und aushalten. „Überhaupt sollte man in der Politik ein dickes Fell haben. Ich gebe gerne zu, emotional gewesen zu sein. Schließlich musste ich der Sache zuliebe lange Zeit schweigen und dafür entschuldige ich mich aufrichtig bei unseren Mitgliedern und Wählern. Ich war wütend, dass wir es zugelassen haben, uns mit unseren eigenen Waffen schlagen zu lassen.“ Die Landtagsabgeordnete schrieb von einer langen Fehlerliste, die das angestrebte dritte Mandat gekostet habe. Die 49-Jährige warf Zoderer eine schlechte Amtsführung, Zeitmangel, Pannen bei der Wahlkampfplanung und fehlende Teamfähigkeit vor. „Abschließend distanziere ich mich in aller Entschiedenheit vom perfiden Versuch, mir Unmenschlichkeit zu unterstellen, was anscheinend die übliche Methode ist, wenn es politisch nicht läuft und wenn wieder einmal eine Ausrede gesucht wird, um sich zu vertschüssen“, so Ulli Mair. „Wer sich vertschüsst, war nie richtig mit Herzblut und Ideologie dabei. Die Freiheitlichen sind größer als Befindlichkeiten, die kommen und gehen.“ Als sehr positiv wertet es die gebürtige Bozenerin, dass die freiheitlichen Obmannstellvertreter Roland Stauder und Otto Mahlknecht interimistisch die Führung als Doppelspitze übernehmen und sich ehemalige Funktionäre zu ihrer Reaktivierung bereit erklärt haben.

 

Bei den Freiheitlichen muss auch wieder Ruhe einkehren, wenn sie die Chance auf eine Regierungsbeteiligung nicht verspielen wollen. Bei der geschwächten SVP liegen nach den Mandatsverlusten nämlich die Nerven blank. Wegen des vorgeschriebenen Sprachgruppen-Proporzes und nur noch fünf Italienern im Landtag wird die Regierungsbildung für Arno Kompatscher sowieso schon schwierig genug. Da legt der Landeshauptmann bei den in Frage kommenden deutschsprachigen Koalitionspartnern umso größeren Wert auf innerparteiliche Geschlossenheit und geklärte Personalfragen.

 

Die SVP führt jetzt Vorgespräche mit allen Parteien im Landtag und wird dann entscheiden, mit welchen es in die zweite Runde geht. Sie könnte mit den Brüdern Italiens, der Lega und den Freiheitlichen zusammengehen und käme dann auf eine knappe Mehrheit von 18 Sitzen. Diese Konstellation würde die Südtiroler Verhandlungsposition gegenüber der rechtskonservativen Regierung in Rom verbessern und auch den örtlichen (rechten) Wahltrend widerspiegeln, ohne die starke SVP-Konkurrenzpartei Süd-Tiroler Freiheit an der Macht zu beteiligen. Das Problem: Die Fratelli d’Italia stehen in einer politischen Traditionslinie, die den Südtiroler Autonomiegedanken immer bekämpfte. Und wie verhalten sich die Freiheitlichen? „Jetzt ist es verfrüht, darüber zu reden. Unser Wahlergebnis mit knappen zwei Sitzen muss erst verdaut werden“, sagte Ulli Mair Ende Oktober. Man sei gesprächsbereit, aber die Initiative müsse von der SVP ausgehen. „Per Whatsapp haben sich zwar einige Alt-Mandatare gemeldet, die mich Frau Landesrätin nannten. Von Arno Kompatscher oder Philipp Achammer habe ich aber nichts gehört.“ Die erfahrene Politikerin will jedenfalls nicht bloß Steigbügelhalterin der geschrumpften SVP sein, sondern beansprucht ein Gestaltungsressort: „Uns gibt es aber nicht umsonst. Es müsste ein Ressort sein, in dem wir auch gestalten können.“

 

Der neu gewählte Südtiroler Landtag wird am 13. November zu seiner konstituierenden Sitzung zusammentreten. Ob die Freiheitliche Ulli Mair neue Landesrätin wird, wie manche munkeln, wird sich dann zeigen.

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