Bozen – Südtirol ist mehr denn je das Sehnsuchtsland vieler Urlauber. So lag die Zahl der Gästeankünfte im Sommerhalbjahr 2022 – damit ist der Zeitraum von Mai bis Oktober gemeint – bei 5,1 Millionen. Im Vergleich zum Sommer 2021 ist das eine signifikante Steigerung um 13,9 Prozent. Die Zahl der Übernachtungen stieg gegenüber dem gleichen Vorjahreszeitraum um 10,1 Prozent auf 22,7 Millionen. Aus dem touristischen Kernmarkt Deutschland wurden im Sommerhalbjahr 2022 insgesamt 11,9 Millionen Übernachtungen registriert, was einer Zunahme von 1,5 Millionen gegenüber dem letzten Sommer entspricht. Aus den italienischen Regionen sank die Zahl der Übernachtungsgäste hingegen. Diese Daten veröffentlichte wie immer das Landesinstitut für Statistik ASTAT. Die aktuellsten Einzelzahlen des Amtes liegen für Oktober 2022 vor. In diesem Monat wurden 673.394 Ankünfte und 2.678.356 Übernachtungen erfasst. Mit 64,8 Prozent stammten die meisten Übernachtungsgäste aus Deutschland.
Nach den wirtschaftlich verheerenden Corona-Jahren hofften die Südtiroler Hotel- und Gastronomiebetriebe auf eine schnelle Erholung durch möglichst viele Touristen. Aber weil die Region unter der Touristenflut der Vor-Corona-Zeit auch litt, befürchtete die Südtiroler Landesregierung in diesem Jahr ein regelrechtes „Volllaufen“ mit Urlaubern. Deshalb brachte sie unter Protest von Beherbergungsbetrieben eine Begrenzung der Hotelbettenzahl in die Diskussion. Die Einführung einer Bettenobergrenze präsentierte sie als Beitrag zu einem nachhaltigen Tourismus. Das Fremdenverkehrskonzept der Landesregierung in Bozen sieht das Einfrieren der Bettenzahl auf dem Stand von 2019 vor, als es in Südtirol rund 230.000 Betten gab. Die Kontrolle der Obergrenze werde den Gemeinden übertragen, hieß es im Frühjahr. Tourismuslandesrat Arnold Schuler gab die Losung aus: „Südtirol bleibt das Land der Familienbetriebe.“ Sein Ziel sei ein heimatlicher Lebensraum, in dem sich „nicht nur Touristen, sondern auch die Einheimischen wohlfühlen“. Ganz auf einer Linie mit Landeshauptmann Arno Kompatscher erklärte er seine Absicht, den Massentourismus einzudämmen und einen qualitativ hochwertigen Tourismus zu fördern.
Die Pläne ließen beim Hoteliers- und Gastwirteverband (HGV) sowie dem Gemeindeverband die Alarmsirenen schrillen. „Für uns ist klar, dass es auch in der Zukunft Spielräume vor allem für bestehende Betriebe braucht“, erklärte HGV-Präsident Manfred Pinzger. Es müsse weiterhin erlaubt sein, dass Betriebe ihre Bettenkapazitäten auf eine rentable Größe ausbauen. „Große Bettenburgen brauchen wir jedoch keine mehr.“ Die Ausnahmeregel für Bauernhöfe kritisierte Pinzger: „Wir fordern Gleichbehandlung. Was kleine Bauernhöfe dürfen, muss auch für kleine bestehende Betriebe wie Gasthöfe und Pensionen gelten.“
Im Juli 2022 beschloss der Südtiroler Landtag ungeachtet der Kritik ein Gesetz zur Bettenobergrenze im Tourismus. Nach langem Streit kam die Mehrheit durch die Stimmen der Regierungsparteien Südtiroler Volkspartei (SVP) und Lega sowie der oppositionellen Grünen und Sozialdemokraten (Partito Democratico) zustande. Das schon eine Woche später in Kraft getretene Gesetz untersagt den Gemeinden die Genehmigung neuer Betten. Die Zahl wurde auf den Wert von 2019 begrenzt, nämlich genau 229.088 Betten. Hinzu kommen noch seither erworbene Rechte für rund 10.000 Betten. Das Gesetz gilt nicht nur für klassische Hotels, Gasthäuser und Pensionen, sondern auch für nicht-gewerbliche Privatzimmervermieter und Anbieter von Airbnb-Wohnungen. Südtirol ist damit zur ersten Alpenregion mit einer Tourismus-Obergrenze geworden. Im österreichischen Bundesland Tirol war eine Bettenbegrenzung rechtlich hingegen nicht durchsetzbar. Die Koalitionsparteien ÖVP und Grüne verständigten sich bloß auf eine unverbindliche Obergrenze von 300 Betten je Betrieb.
Im September 2022 genehmigte die Südtiroler Landesregierung die Durchführungsverordnung des Gesetzes und legte damit die Kriterien für die Erhebung, Kontingentierung und Zuweisung von Gästebetten fest. Die erste Verordnung zum Landestourismusentwicklungskonzept 2030+ wurde vom Landeshauptmann und vom Tourismuslandesrat auf einer Pressekonferenz vorgestellt. Letzterer sagte: „Wir haben uns für eine neue, nachhaltige uns zukunftsweisende Tourismuskultur für Südtirol entschieden und wollen diese auch mit entsprechenden Querkontrollen und Sanktionen voranbringen.“ In den Monaten zuvor habe man mit Vertretern der Tourismusbranche intensiv an einer konsensorientierten Lösung gearbeitet. Um einen Stillstand zu vermeiden, würden 7.000 Gästebetten auf Gemeinde- und 1.000 auf Landesebene als Vorschuss gewährt, betonte der Landesrat. Die zugeteilten Gästebetten seien aber innerhalb von zehn Jahren mit aufgelassenen Betten auszugleichen. Ausnahmeregelungen hat die Landesregierung für gastgewerbliche Betriebe in historischen Ortskernen und für Urlaube auf Bauernhöfen beschlossen.
Für die Südtiroler Wirtschaft im Allgemeinen und den Tourismus im Besonderen spielen aber nicht nur die Betten, sondern auch die Seilbahnen eine große Rolle. Wintertouristen dürfte interessieren, dass die Umstrukturierung der vorhandenen Lift-Anlagen eine erhöhte Stundenleistung ermöglicht, obwohl die Gesamtzahl der Seilbahnen abnimmt. Im vergangenen Jahr gab es in Südtirol 358 aktive Seilbahnanlagen, die auf eine gemeinsame Förderleistung von 549.097 Personen pro Stunde kamen. Das teilten jüngst das Landesamt für Seilbahnen und das Landesstatistikinstitut mit. Laut ihren Daten gab es 2021 im Vorjahresvergleich eine Steigerung der Förderleistung von 0,6 Prozent. In den letzten zehn Jahren stieg sie sogar um 7,1 Prozent. Weil fast alle Anlagen coronabedingt nicht geöffnet werden konnten, ging die Zahl der von den Seilbahnanlagen beförderten Personen in der Wintersaison 2020/21 drastisch zurück. „Die Corona-Pandemie hat eindrucksvoll gezeigt, welche Auswirkungen der Seilbahnsektor auf andere Wirtschaftssektoren genauso wie auch auf das soziale Leben hat“, sagte Mobilitätslandesrat Daniel Alfreider. Aber die Corona-Einschränkungen sind Vergangenheit, was den Südtiroler Wintersport-Gebieten ihre alte Touristen-Attraktivität zurückgibt. Außerdem erleichtern die Leistungssteigerungen der Seilbahnen die Wintersport-Aktivität in der autonomen Provinz Bozen-Südtirol, wo es trotz der Bettenobergrenze natürlich keinen Mangel an Übernachtungsmöglichkeiten gibt.