Bundeskanzler und ÖVP-Obmann Sebastian Kurz (Quelle: ÖVP)
Bundeskanzler und ÖVP-Obmann Sebastian Kurz (Quelle: ÖVP)


Wien – Es war ein harter Tag für Österreichs Bundeskanzler Sebastian Kurz. Im Nationalrat musste er sich einen Mißtrauensantrag und sehr scharfe Kritik durch Dr. Susanne Fürst, Verfassungsrechtlerin des FPÖ-Parlamentsklubs, gefallen lassen. Im Zuge der wachsenden Kritik an den Corona-Maßnahmen hat die ÖVP gegenüber den letztjährigen Umfragewerten deutlich Federn lassen müssen, befindet sich jetzt aber in einer demoskopischen Stabilisierungsphase. Laut einer vom Meinungsforschungsinstitut Unique research für „profil“ durchgeführten aktuellen Umfrage hat der Zoff um die verweigerte Akten-Lieferung an den Ibiza-U-Ausschuss Finanzminister Gernot Blümel massiv geschadet. Inzwischen sind 54 Prozent der Österreicher der Meinung, der ÖVP-Politiker müsse zurücktreten. Im Vergleich zu April legt die ÖVP in der Sonntagsfrage dennoch einen Prozentpunkt auf 34 Prozent zu. Die SPÖ verliert einen Punkt und kommt auf 23 Prozent, die FPÖ rangiert bei 18 Prozent, die Grünen bei 12 Prozent und die NEOS bei 10 Prozent. Bei der Frage nach der fiktiven Direktwahl des Bundeskanzlers legt Sebastian Kurz um zwei Prozentpunkte auf 29 Prozent zu. Pamela Rendi-Wagner (SPÖ) liegt bei 15 Prozent und Norbert Hofer (FPÖ) bei 11 Prozent. Werner Kogler (Grüne) und NEOS-Chefin Beate Meinl-Reisinger werden beide bei jeweils fünf Prozent taxiert. 34 Prozent für die ÖVP und 29 Prozent für Kurz – damit werden die Türkisen derzeit leben können. Allerdings bildet die „profil“-Umfrage noch nicht mögliche Einflüsse der Ermittlungen der Staatsanwaltschaft gegen Sebastian Kurz ab.

Die Staatsanwaltschaft ermittelt gegen den Bundeskanzler und ÖVP-Obmann wegen des Verdachts der Falschaussage im parlamentarischen Ibiza-Untersuchungsausschuss. Dort soll der 34-Jährige seinen Einfluss auf die Besetzung des Spitzenjobs bei der ÖBAG heruntergespielt haben. Chatprotokolle belegen aber angeblich, dass er durchaus in die Entscheidung eingebunden war. Eine Anzeige der NEOS hatte die Ermittlungen ins Rollen gebracht. 

Kritiker werfen dem Konservativen, der seine Partei 2019 mit 37,5 Prozent zur mit Abstand stärksten Partei im Nationalrat machte, nun vor, an einem „juristischen Sonderstatus“ zu arbeiten. Als Beleg dafür wird ein in Kurz‘ Auftrag erstelltes Gutachten des Salzburger Strafrechtsprofessors Hubert Hinterhofer angeführt. Danach hätte der Regierungschef praktisch keine vorsätzliche Falschaussage vor dem U-Ausschuss machen können, „zumal ihm klar sein musste, dass eine solche vorsätzliche Falschaussage als Auskunftsperson vor dem Untersuchungsausschuss unweigerlich eine Strafanzeige nach sich gezogen hätte“. Diese Argumentation überzeugt nicht alle. 

Gleichwohl geht Kurz von einer politischen Kampagne gegen ihn aus. Das weist die Präsidentin der österreichischen Richtervereinigung zurück. Sabine Matejka sagte im ORF-Radio: „Die Staatsanwaltschaft ermittelt jetzt aufgrund eines Anfangsverdachts, und das ist völlig unabhängig davon, wer diese Anzeige ursprünglich eingebracht hat.“ Spitzenpolitiker seien zur Sachlichkeit aufgefordert, auch wenn gegen sie selbst ermittelt werde. Es ist nicht überraschend, dass die Volkspartei trotz der im Raum stehenden Vorwürfe voll und ganz hinter ihrem Frontmann und Erfolgsgaranten steht. „Seitdem Sebastian Kurz Bundeskanzler ist, gibt es für die Opposition nur ein Ziel – und dieses versuchen sie vehement mit Demos, der Abwahl 2019 und mit ständigen Anzeigen zu erreichen“, schrieb sie am 14. Mai auf ihrer Facebook-Seite. „Für uns geht es nicht um parteipolitischen Hickhack, sondern um den Kampf gegen Corona und das wirtschaftliche Comeback für Österreich. Dafür arbeiten wir.“

In der Tat gibt es auch noch andere Themen, die die Menschen umtreiben. Mit dem fortschreitenden Impferfolg der Kurz-Regierung verlangen sie die Rückkehr ihrer Lebens- und Gewerbefreiheit. Sehnsüchtig haben die Österreicher auf die Öffnungsschritte gewartet, die der Bundeskanzler am 10. Mai für den 19. Mai angekündigt hat. „Wir haben gute Nachrichten zu überbringen: Die Zahl der Corona-Ansteckungen sinkt, und die Zahl der bereits geimpften Menschen in Österreich steigt. Wir haben zum ersten Mal seit Oktober weniger als 1.000 Neuinfizierte und aktuell 2,6 Millionen Erstgeimpfte“, betonte Kurz in einer gemeinsamen Pressekonferenz mit Vizekanzler Werner Kogler (Grüne), Gesundheitsminister Wolfgang Mückstein (Grüne) sowie Tourismusministerin Elisabeth Köstinger (ÖVP). Der Fortschritt bei der Impfkampagne ermögliche nun endlich Lockerungen. „In Summe sind wir gut durch die dritte Welle gekommen, auch deutlich besser als viele unserer Nachbarländer. Die Regionalisierung hat sich ausgezahlt“, erklärte Kurz. Die Strategie regional differenzierter Maßnahmen in Kombination mit Testungen und dem Tragen von FFP2-Masken habe sich sehr bewährt. Das alles sei nun „eine gute Basis für die versprochenen Öffnungsschritte ab dem 19. Mai“.

Die Öffnungen gelten österreichweit für alle Branchen – von der Gastronomie und dem Tourismus bis hin zu Sport und Kultur. „Das ist eine Freude für uns alle und insbesondere auch ein wichtiger Turbo für den Arbeitsmarkt“, ist der Regierungschef überzeugt. Bei einer weiteren Pressekonferenz bezeichnete er den 19. Mai als „Startpunkt für unseren Kampf zurück zur Normalität“. Er verwies nochmals auf die sinkenden Infektionszahlen und steigenden Zahlen der Geimpften. Trotzdem sind massive Sicherheitsmaßnahmen vorgeschrieben, die für viele Betriebe fraglos eine Herausforderung sind. Zentral ist dabei die Zutrittsberechtigung mit dem „Grünen Pass“: Zutritt zu Gastronomie, Beherbergung oder Kulturveranstaltungen bekommen alle, die getestet, geimpft oder genesen sind. Trotz der Sicherheitsvorkehrungen macht der ÖVP-Chef allen Mut: „Wir werden mit entsprechendem Impffortschritt die Sicherheitsvorkehrungen zurückfahren können, sodass wir im Sommer zur Normalität zurückkehren können.“

Dieser Tage setzte Sebastian Kurz auch ein außenpolitisches Positionslicht und ließ angesichts des eskalierten Nahost-Konflikts am Dach des Bundeskanzleramtes in Wien die israelische Flagge hissen. Auch das ÖVP-geführte Außenministerium zog aus Solidaritätsgründen diese Flagge hoch. Der Staat Israel habe „das Recht auf Selbstverteidigung gegen diese Angriffe“, sagte Kurz und sprach von einem „Zeichen der Solidarität mit den Frauen, Kindern und Männern, die in Israel täglich in Luftschutzbunkern Schutz suchen müssen“. Der türkise Außenminister Alexander Schallenberg pflichtete seinem Regierungschef bei, es gebe keinerlei Rechtfertigung für den Raketenterror gegen Israel. „Ich bin zutiefst schockiert über Berichte von Übergriffen auf jüdische und arabische Bürger in Israel. Derartige Gewaltausbrüche sind umgehend zu stoppen“, so Schallenberg. Kritik an der Solidaritätsgeste des Kanzleramtes kam umgehend aus der Türkei, eine Kritik, die den Hausherren kaum interessieren dürfte.

x