Sven Knoll von der Partei Süd-Tiroler Freiheit
Sven Knoll von der Partei Süd-Tiroler Freiheit


Bozen – „Dieses Ergebnis ist uns eine große Ehre und ein großer Auftrag zugleich“, sagte Sven Knoll zum Abschneiden seiner identitätsbewussten Oppositionspartei bei der Südtiroler Landtagswahl am 22. Oktober. „Nun gilt es, verantwortungsbewusst mit diesem historisch besten Ergebnis umzugehen und die Themen, auf die wir im Wahlkampf gesetzt haben, konsequent voranzutreiben.“ Unter seiner Spitzenkandidatur wurde die Süd-Tiroler Freiheit zum großen Wahlsieger und zur drittstärksten Kraft im Landesparlament. Sie konnte ihr 6,0-Prozent-Ergebnis von 2018 fast verdoppeln und kam auf 10,9 Prozent. Damit steigerte sie die Zahl ihrer Mandate von bisher zwei auf vier, was Knoll als „überwältigend“ bezeichnete. Der 43-Jährige, der Mitverfasser einer Gedenkschrift für den Freiheitskämpfer Andreas Hofer ist, bekam die drittmeisten Stimmen aller Kandidaten seiner Heimat. Mit 25.290 Vorzugsstimmen fuhr er persönlich ein sehr starkes Ergebnis ein. Neben Knoll gehören für die Süd-Tiroler Freiheit Myriam Atz Tammerle, Hannes Rabensteiner und Bernhard Zimmerhofer dem neuen Landtag an. Man sei und bleibe die erste Adresse, wenn es um die Selbstbestimmung, den Schutz und die Identität der Tiroler Heimat gehe, erklärte die Partei. „Mit doppelter Verstärkung und als drittstärkste Kraft im Landtag haben wir nun noch mehr die Möglichkeit, die Bürger in den Mittelpunkt unserer Politik zu rücken. Wir sagen 30.583 Mal Danke und Vergeltsgott!“

 

Die eigentliche Verliererin des Urnengangs ist die regierende Südtiroler Volkspartei von Landeshauptmann Arno Kompatscher. Mit ihm als Spitzenkandidaten rutschte die SVP von 41,9 Prozent vor fünf Jahren auf nur noch 34,5 Prozent ab. Das Minus von 7,4 Prozentpunkten bedeutet den Verlust von zwei weiteren Mandaten für die einst so erfolgsverwöhnte Staatspartei. Erstmals seit 1948 stürzte sie unter die symbolische Marke von 40 Prozent und steht nun vor äußerst schwierigen Koalitionsverhandlungen mit mehreren potenziellen Partnern. Allein kommt sie nur auf 13 der insgesamt 35 Sitze im Südtiroler Landtag. Trotz des SVP-Absturzes will Arno Kompatscher Regierungschef bleiben und verweist auf 58.771 Vorzugsstimmen für ihn, was einem Minus von 9.500 entspricht. Deutlich stärker abgewatscht wurde SVP-Parteiobmann Philipp Achammer, dessen Vorzugsstimmenzahl sich auf 16.812 halbierte. Er sprach von einem „schmerzhaften Verlust“, gleichwohl habe man als „Sammelpartei“ einen „klaren Regierungsauftrag“ vom Wähler erhalten. Die SVP sei stärker, als die dahinter platzierten drei Parteien zusammen. Trotzdem braucht sie mindestens zwei Partner für eine komfortable Regierungsmehrheit – also eine Dreierkoalition. Hinzu kommt, dass laut dem Autonomiestatut von 1972 eine Partei der italienischen Sprachgruppe regierungsbeteiligt sein muss. Rund zwei Drittel der 530.000 Einwohner Südtirols sprechen Deutsch als Muttersprache. Das sprachgruppenbezogene Proporzsystem macht die Regierungsbildung vor dem Hintergrund der politischen Zersplitterung noch schwieriger. Im neuen Landtag in Bozen sind zwölf Parteien vertreten.

 

Ein Debakel erlebte Kompatschers bisheriger Koalitionspartner, die rechtsgerichtete Lega des italienischen Verkehrsministers Matteo Salvini. Sie brach von 11,1 Prozent der Stimmen auf 3,0 Prozent ein und verlor drei ihrer bislang vier Mandate. Mehr als vier Prozent Verlust musste die linksliberale Formation von Paul Köllensperger wegstecken. Das Team K kam noch auf 11,1 Prozent und vier statt bisher sechs Sitze. Hinter ihren eigenen Erwartungen blieben die Grünen, die zwar Stimmen hinzugewannen und bei 9,0 Prozent landeten, aber die Zahl von drei Abgeordneten nicht erhöhen konnten. Die rechtskonservativen Brüder Italiens von Ministerpräsidentin Giorgia Meloni steigerten sich von 1,7 auf 6,0 Prozent und errangen zwei Mandate. Der Listenerste Marco Galateo sagte: „Fratelli d’Italia ist die stärkste Partei unter den Italienern und die stärkste in der Landeshauptstadt Bozen.“ Einen deutlichen Achtungserfolg erzielte die Liste JWA des Corona-Skeptikers und ehemaligen Schützenkommandanten Jürgen Wirth Anderlan – sie kam aus dem Stand auf 5,9 Prozent und zwei Mandate. Ihr Spitzenkandidat konstatierte: „Die Südtiroler haben bewiesen, dass sie noch Eier haben.“ Auf 4,9 Prozent brachten es die Freiheitlichen und konnten trotz Verlusten ihre zwei Sitze halten.

 

„Insgesamt ist eine Verschiebung der Kräfteverhältnisse zur Rechten zu beobachten, ähnlich wie bei den Nationalratswahlen vom Sonntag in der benachbarten Schweiz“, analysierte die „Frankfurter Allgemeine Zeitung“. Landeshauptmann Kompatscher müsse entscheiden, „ob er diesem allgemeinen politischen Trend – in Italien und in anderen EU-Staaten – folgt und sich mehrere Koalitionspartner auf der Rechten sucht. Oder ob er die SVP weiter nach links führt, was ihm die historischen Stammwähler der Partei übelnehmen könnten“. Der Politologe Günther Pallaver äußerte: „Wie die SVP eine Koalition zusammenbringen soll, weiß ich nicht.“ Sie sei jedenfalls keine Sammelpartei mehr und könne nicht länger den politischen Alleinvertretungsanspruch erheben.

 

Ein Bündnis mit der Süd-Tiroler Freiheit wird Kompatscher wohl zu heikel sein. Viele Beobachter führen deren deutlichen Stimmenzuwachs auf eine klare Positionierung in der Migrationsproblematik zurück. „Wenn fast täglich Bürger von kriminellen Ausländern belästigt und angegriffen werden, darf man dazu nicht schweigen“, hieß es aus der Partei. Unter der Losung „Ausländergewalt endlich stoppen!“ forderte sie die Abschiebung krimineller Ausländer, einen Einwanderungsstopp und die Einsetzung eines Ordnungsdienstes. Bei Facebook hatte die Süd-Tiroler Freiheit zugespitzt geschrieben: „Schauen wir nicht länger zu, wie kriminelle Ausländer unser Land tyrannisieren.“ Angesichts der Verdopplung ihrer Mandatszahl erklärte sich Landeshauptmannkandidat Sven Knoll schon am Tag nach der Wahl dazu bereit, Regierungsverantwortung zu übernehmen. „Wir müssen uns alle bemühen, eine tragfähige Regierung zu finden“, erklärte der Politiker, der schon seit 2008 dem Landtag angehört. Er sei grundsätzlich zu Gesprächen mit allen Parteien bereit, könne sich aber eine gemeinsame Regierung mit den Fratelli d' Italia derzeit nicht vorstellen. Eine Aufgabe von Grundüberzeugungen schloss er aus: „Wir bestehen auf unsere politischen Ideale und auf unsere politischen Themen. Wer bereit ist, diesen Weg mit uns zu gehen, mit dem werden wir Gespräche führen. Wir haben unsere Kernthemen (Ortsnamen, doppelte Staatsbürgerschaft usw.) und man wird sehen, welche Prioritäten andere Parteien setzen und welche Schnittmengen gefunden werden können.“

 

Zu seiner konstituierenden Sitzung tritt der Landtag spätestens 20 Tage nach Bekanntgabe der Gewählten zusammen. Dann werden die 35 Abgeordneten vereidigt, und das Landesparlament nimmt seine Tätigkeit für die XVII. Legislaturperiode bis zum Jahr 2028 auf.

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