Annalena Baerbock und Werner Kogler (Quelle: Werner Kogler)
Annalena Baerbock und Werner Kogler (Quelle: Werner Kogler)

Wien – Nachdem die Grünen im März mit 10 Prozent einen demoskopischen Durchhänger verkraften mussten, haben sie sich in den April-Umfragen wieder gefangen. Würde jetzt ein neuer Nationalrat gewählt, kämen sie auf 12 Prozent. Weil das weniger als die 13,9 Prozent sind, die sie bei der letzten nationalen Wahl 2019 bekamen, gucken die Alpen-Grünen etwas neidisch nach Deutschland. Die dortigen Grünen liegen in Umfragen stabil bei deutlich über 20 Prozent und können nach der Ausrufung ihrer Parteichefin Annalena Baerbock zur Kanzlerkandidatin wohl mit noch mehr Zuspruch rechnen. Am 19. April twitterte Grünen-Chef und Vizekanzler Werner Kogler fast euphorisch Richtung Berlin: „Gemeinsam habt ihr für eine solide Ausgangsposition gesorgt und gut entschieden. Klar ist: Mit Annalena Baerbock geht es in die Zukunft. Klimaschützende Kanzlerinkandidatin mit Bodenhaftung, das macht Mut. Ich wünsche dir viel Kraft, liebe Annalena. Auf geht‘s!“

Kogler, Jahrgang 1961, hat es gerade nicht leicht. Sein populärer Parteifreund Rudolf Anschober trat dieser Tage von seinem Amt als Gesundheitsminister zurück und begründete das mit seiner Arbeitsüberlastung und mit Kreislaufproblemen. „In der schwersten Gesundheitskrise seit Jahrzehnten braucht die Republik einen Gesundheitsminister, der zu 100 Prozent fit ist“, begründete er seinen Abgang. „Ich will mich auch nicht kaputtmachen.“ Wegen gesundheitlicher Schwierigkeiten hatte der Leistungsträger der türkis-grünen Bundesregierung schon in den letzten Wochen eine Reihe von Terminen abgesagt. Mental machen ihm auch Morddrohungen zu schaffen, die Polizeischutz erfordern. Überdies beklagt der 60-Jährige wachsende Konflikte und zunehmende Vertrauensbrüche innerhalb der Regierungskoalition mit der ÖVP von Kanzler Sebastian Kurz. Politische Erfolge habe es immer dann gegeben, wenn man zusammengehalten habe. Das sei zuletzt aber seltener der Fall gewesen. „Die Presse“ schrieb nach dem Rückzug des grünen Spitzenpolitikers von einem „Rudi-Anschober-Vakuum“.

Angesichts der Pandemielage wurde von Vizekanzler und Grünen-Chef Werner Kogler erwartet, die entstandene Lücke schnellstmöglich durch eine kompetente Nachbesetzung zu füllen. Nur wenige Stunden nach Anschobers Rücktritt stellte er den Mediziner und Ärztekammer-Funktionär Wolfgang Mückstein als Nachfolger vor. Dem scheidenden Gesundheitsminister dankte Kogler ausdrücklich für dessen Einsatz gegen das Coronavirus und für seinen Beitrag zum Neustart der Grünen nach der Wahlniederlage 2017. Am 19. April, dem Tag der Angelobung Mücksteins als neuer Bundesminister für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz, schrieb Kogler: „Ich wünsche ihm viel Erfolg für seine herausfordernde und verantwortungsvolle Aufgabe! Nochmal: willkommen im Team, lieber Wolfgang!“

Zwei Tage später stellten Bundeskanzler Sebastian Kurz und sein Vizekanzler den neuen Sozial- und Gesundheitsminister den Abgeordneten in Wien vor. Mückstein sei ein Experte und komme aus der Praxis, lobte Kurz die Personalentscheidung der Grünen. Zugleich bedankte er sich bei Anschober für dessen Tätigkeit „in einer sehr herausfordernden Zeit“. Er habe mit Anschober sehr eng zusammengearbeitet. Trotz manchmal unterschiedlicher Auffassungen habe man nach langen Diskussionen immer eine gemeinsame Linie gefunden und diese nach außen vertreten. Aus Sicht vieler Grüner spürte man von einem solch kooperativen Regierungsstil zuletzt immer weniger. Grünen-Klubobfrau Sigrid Maurer sagte dem Neuen deshalb umso mehr die volle Unterstützung des grünen Parlamentsklubs zu. Sie freue sich, dass Mückstein diese „große Aufgabe“ zu übernehmen bereit sei. Kogler nutzte die Mückstein-Vorstellung nochmals, um sich bei seinem oberösterreichischen Parteifreund für die Regierungsarbeit zu bedanken. Was Anschober in den letzten 15 Monaten geleistet habe, sei unglaublich und von vielen Seiten anerkannt worden. Er würdigte dessen enormes Engagement, seine Kompetenzen und die Fähigkeit, auch Unpopuläres zu vertreten und Fehler zuzugeben. Mit Blick auf die Pandemie-Bekämpfung sprach Kogler von einem steinigen Weg, dessen Ende auch er nicht vorhersagen könne. „Aber wir sind am richtigen Weg.“ Ausdrücklich begrüßte der 59-Jährige den von der Regierung vorgestellten Comeback-Plan, der Österreich in Sachen Ökologisierung und Digitalisierung „auf die Überholspur bringen“ werde.

Während sich der Bundesminister für Kunst, Kultur, öffentlichen Dienst und Sport auf seine Regierungsarbeit konzentrierte, sah er sich Mitte April mit Meldungen eines Online-Mediums über einen angedachten Koalitionswechsel der ÖVP zur FPÖ und damit zur Ausbootung der Grünen konfrontiert. Wegen des Kriselns in der türkis-grünen Bundesregierung soll ÖVP-Chef und Bundeskanzler Sebastian Kurz mit FPÖ-Chef Norbert Hofer heimlich über einen Umbau der Regierung verhandelt haben. Hofer würde bei einer Neuauflage von Türkis-Blau angeblich Vizekanzler und Verkehrsminister. Zur Planung des Regierungswechsels habe es in den vergangenen zwei Monaten mehrere Treffen zwischen Hofer und Kurz sowie Hofer und Kurz’ Kabinettschef Bernhard Bonelli gegeben. Der Freiheitliche dementierte die Meldungen über einen fliegenden Koalitionswechsel entschieden: „Es gab keine solchen Treffen, es gibt keine solchen Treffen und es wird auch künftig keine solchen Treffen geben. Mit dieser ÖVP ist aktuell nämlich kein Staat zu machen.“ Hofer sagte weiter: „Ich habe in den letzten Monaten in einer Reihe von Interviews einen fliegenden Wechsel ausgeschlossen und auch im letzten Bundesparteipräsidium den Antrag gestellt, eine derartige Vorgangsweise auszuschließen. Der Antrag wurde einstimmig angenommen.“

Die „Salzburger Nachrichten“ meinten daraufhin, dass die Bundesregierung keine andere Wahl habe, als „weiter in türkis-grünem Gleichklang zu regieren“ und kommentierte die Spekulationen über einen Koalitionswechsel so: „Es gibt nur wenige Dinge, die in Pandemiezeiten wie diesen ein höheres Ausmaß an Unsinnigkeit aufweisen als mutwillig herbeigeführte Regierungskrisen, Koalitionsauflösungen oder gar Neuwahlen. Österreich hat derzeit wahrlich andere Sorgen.“ Bundeskanzler Sebastian Kurz und Vizekanzler Werner Kogler seien zur politischen Zusammenarbeit regelrecht verurteilt. 

Letzterer will sich viel lieber für noch mehr Stoßkraft des „Green New Deal“ einsetzen, um die österreichische Wirtschaft nachhaltig umzubauen und damit zukunftsfest zu machen. Inmitten der unruhigen Tage nach Anschobers Demission und den Koalitionsspekulationen berichtete der Volkswirt mit Schwerpunkt Umweltökonomie von guten Nachrichten: die Investitionsprämie sei ein voller Erfolg. „Daher erhöhen wir die Budgetmittel für die Investitionsprämie von drei auf fünf Milliarden Euro“, schrieb der Steirer auf seiner Facebook-Seite. „Besonders erfreulich: viele Unternehmen setzen durch die doppelte Prämie von 14 Prozent auf Klimaschutz und Digitalisierung. Mehr als 80.000 Anträge von Unternehmen wurden allein für Öko-Investitionen gestellt. Ein enormer Impuls für den Standort, für den Klimaschutz und für mehr Jobs.“ So stellt sich Werner Kogler konstruktive Regierungspolitik vor.

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