Rudolf Anschober (Grüne) ist Österreichs Bundesminister für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz (Quelle: Rudi Anschober)
Rudolf Anschober (Grüne) ist Österreichs Bundesminister für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz (Quelle: Rudi Anschober)

Wien – Auch in Österreich haben die Menschen die Corona-Pandemie satt. Die Februar-Umfrage des Meinungsforschungsinstituts Unique research im Auftrag von „profil“ war für die Grünen ein Schock. Im Vergleich zum Jänner 2021 sackten sie von 14 Prozent auf 10 Prozent ab und landeten damit zum ersten Mal seit Sommer 2019 hinter den NEOS. Diese Umfrage, die auch eine sinkende Zustimmung für die ÖVP ermittelte, stützt den Eindruck vieler Journalisten, dass für die türkis-grüne Bundesregierung gut 13 Monate nach Aufnahme des politischen Tagesgeschäfts schwerere Zeiten angebrochen sind. Das innovative Politikmodell „Das Beste aus beiden Welten“, so nannte Kanzler Sebastian Kurz das türkis-grüne Regierungsprogramm, funktionierte prächtig. Die ÖVP konnte sich mit einer konservativen Sicherheits- und Wirtschaftspolitik und die grüne Partei mit einer Klima-Offensive profilieren, um den Erwartungshaltungen ihrer ganz unterschiedlichen Wählergruppen gerecht zu werden. Doch mit der Corona-Pandemie änderte sich alles.



In einem Leitartikel der „Tiroler Tageszeitung“ schrieb Alois Vahrner: „Mit dem Hereinbrechen der Corona-Pandemie nur wenige Wochen nach Amtsantritt war ohnehin alles anders. Mit einem Schlag herrschte permanenter Ausnahmezustand. Österreich bewältigte die erste Covid-Welle besser als viele andere Länder, die ÖVP mit Kanzler Sebastian Kurz hob in Umfragen in lichte Höhen ab, auch die Grünen legten klar zu.“ Ende letzten Jahres begann die Stimmung in der Bevölkerung langsam zu kippen, und inzwischen ist die Kritik am Corona-Krisenmanagement der Bundesregierung unüberhörbar. Die Grünen hadern zunehmend mit dem zuwanderungskritischen Kurs der ÖVP, die der FPÖ aber keine offene Flanke bieten will. Wegen der Abschiebung einiger als gut integriert geltender Familien und der Nichtaufnahme von Migranten aus dem griechischen Lager Moria entfremden sich immer größere Teile der grünen Basis der eigenen Regierung. Vahrner kommentierte daher: „Zuletzt häufte sich die öffentliche Kritik der Grünen am türkisen Partner, was Alarmstufe Rot für die Koalition heißt. Geht es so weiter, ist ein Platzen vorprogrammiert. Das Regierungs-Experiment für die Grünen wäre wohl auf längere Zeit beendet. Und der ÖVP, die dann in kurzer Zeit drei Partner verschlissen hätte, gingen langsam die möglichen Partner aus.“



So weit muss es aber nicht kommen. Die Lust an der Verantwortungsübernahme und am politischen Gestalten ist Rudolf „Rudi“ Anschober trotz Corona noch lange nicht vergangen. Der Bundesminister für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz ist ein Aktivposten und Aushängeschild der türkis-grünen Koalition. Immer lauter werdende Kritik von FPÖ und NEOS an seiner Anti-Corona-Politik hält ihn nicht davon ab, weiterhin nach Maß und Mitte der Gegenmaßnahmen zu suchen. Dem gebürtigen Welser geht es um einen ausgewogenen Mix von verstärkten Schutzmaßnahmen, ersten Regionalisierungsschritten und vorsichtigen weiteren Öffnungen.



In diesen Kontext stellt er auch das neue Covid-19-Paket. Anfang März wies der Gesundheitsminister darauf hin, dass man ein Programm mit weiteren Schutzmaßnahmen „fixiert“ habe und zeitnah einen konzeptionellen Automatismus für Bezirke mit einer 7-Tages-Inzidenz von mindestens 400 vorlege. Dieses Sicherheitsnetz werde neben anderen Schutzmaßnahmen verpflichtende Ausreisetestungen für die betroffenen Bezirke nach dem Vorbild der derzeitigen Tiroler Regelung beinhalten, betonte der Grüne. Zusätzlich seien Schwerpunktkontrollen in allen Gemeinden mit stärkeren Infektionssteigerungen und ein weiteres Ausrollen der FFP2-Pflicht sowie Präventionsprogramme vorgesehen. „Mit diesem Sicherungsnetz wollen wir generell die derzeitige Zunahme der Infektionszahlen begrenzen und vor allem auch überall dort eingreifen, wo wir starke regionale Zuwächse erkennen, da diese oft der Ausgangspunkt für generelle Steigerungen darstellen“, erläuterte der ranghöchste Gesundheitspolitiker der Republik. Er machte aber auch vorsichtig Hoffnung auf Öffnungsschritte für das Kulturleben: „Nach Ostern sollten aus saisonalen Gründen, weil wir uns dann wieder stärker im Freien aufhalten werden und weil wir dann schon einen Großteil der Risikogruppen geimpft haben werden, die Begrenzung und Kontrolle der Pandemie leichter werden.“ Bis dahin kämen auf die Österreicher jedoch die schwierigsten Wochen der Pandemie zu.



Am 3. März legte Anschobers Ministerium eine Gesetzesnovelle zur Begutachtung vor, um Änderungen im Covid-19-Maßnahmengesetz (Covid-19-MG) sowie im Epidemiegesetz 1950 (EpiG) auf den Weg zu bringen. Im Rahmen des Covid-19-Maßnahmengesetzes soll künftig bei der Berufsgruppentestung eine Testpflicht für einzelne Berufsgruppen mit besonders häufigem Kundenkontakt erlassen werden können. Zudem sollen weniger umfangreiche Ausgangsregelungen, beispielsweise die nächtliche Ausgangsbeschränkung ohne ganztägige Beschränkungen, schon dann möglich sein, wenn die Kontaktnachverfolgung aufgrund der unkontrollierten Virusverbreitung nicht mehr aufrechterhalten werden kann. Für das Epidemiegesetz sieht die Novelle unter anderem die Konkretisierung der Regelung zum „Zusammenströmen von Menschen“ vor. Es wird ausdrücklich eine Mindestanzahl von vier Personen festgelegt. Auch soll die Möglichkeit von Verkehrsbeschränkungen im Inland und gegenüber dem Ausland präzisiert werden. Um gemäß dem Epidemiegesetz eine korrekte Prüfung aller Entschädigungsanträge sicherzustellen, soll die Frist für die Bearbeitung durch die Bundesländer von sechs auf zwölf Monate ausgedehnt werden. Am 18. März wird die Novelle im Gesundheitsausschuss des Nationalrates in Anwesenheit von Rudi Anschober behandelt.



Der frühere Volksschullehrer und Redakteur sieht sich in seinem Sicherheitsdenken durch einen neuerlichen Anstieg der Infektionszahlen bestätigt, den er alarmierend nennt. „Die aktuell vorliegenden Prognosedaten zeigen eine drohende starke Steigerung der Infektionen. Die riskanteren, weil ansteckungsstärkeren Mutationsvarianten sind auch bei uns in Österreich und drücken die Infektionszahlen nach oben“, warnte der 60-Jährige auf seiner Facebook-Seite. „Die gut funktionierenden Testungen helfen uns diese Erkrankungen abzufangen und weitere Verbreitung zu verhindern. Die Auslastungen in den Spitälern müssen uns aber zu denken geben. Nur gemeinsam können wir diesen Infektionsanstieg stoppen und das medizinische Personal entlasten.“ Er richtet deshalb einen sehr persönlichen Appell an die Bürger: „Wir können das Ruder herumreißen. 50 Prozent stellen die Maßnahmen dar, aber 50 Prozent liegt an uns allen. Bleiben Sie auf der sicheren Seite und schützen Sie sich und Ihre Mitmenschen.“



Aber selbst in der alles umwälzenden Corona-Krise verliert der Oberösterreicher kerngrüne Themen nicht aus dem Blickfeld. So bezieht er eine klare Position zur „neuen Gentechnik“ beziehungsweise zur „Gentechnik 2.0“. Hierbei geht es um neue gentechnische Verfahren, mit deren Hilfe verändernd in das Genom von Pflanzen und Tieren eingegriffen werden kann. Der Europäische Gerichtshof (EuGH) stellte schon 2018 klar, dass auch die „neue Gentechnik“ unter das Regelwerk der bisherigen Gentechnik fällt. Für sie gilt deshalb das idente Zulassungsverfahren mit einer umfassenden Risikobewertung und dem Monitoring von Langzeitfolgen. Daran will Rudi Anschober unbedingt festhalten und keine Gentechnik durch die Hintertür zulassen. „Auch für die sogenannte neue Gentechnik gelten die drei Grundpfeiler Vorsorgeprinzip, wissenschaftliche Risikobewertung und Kennzeichnungspflicht. Diese Sicht vertreten wir offensiv bei allen Diskussionen auf EU-Ebene und ich sehe keinen Grund, hiervon künftig abzugehen“, so der engagierte Bundesminister für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz.

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