Auch der Versicherungskonzern Liechtenstein Life wird nun aus China ferngesteuert
Auch der Versicherungskonzern Liechtenstein Life wird nun aus China ferngesteuert


Vaduz/Ruggell – Das Fürstentum Liechtenstein mit seinen rund 39.000 Einwohnern gehört seit 1995 zum Europäischen Wirtschaftsraum (EWR) und genießt damit auch die volle Dienstleistungsfreiheit in der Europäischen Union (EU). Durch die engen Wirtschaftsbeziehungen und den Zoll- und Währungsvertrag mit der Schweiz profitieren die liechtensteinischen Finanzintermediäre überdies von einem privilegierten Zugang zum Schweizer Wirtschaftsraum. Deshalb verfügt das Fürstentum über einen international bestens vernetzten und angesehenen Finanzplatz. Nach der Industrie ist die Finanzwirtschaft der zweitgrößte Wirtschaftssektor. Am bedeutendsten sind die Banken, die einschließlich ihrer ausländischen Gruppengesellschaften ein Kundenvermögen von rund 350 Milliarden Schweizer Franken verwalten und vor allem im Wealth Management und Private Banking tätig sind. Ein hochattraktiver Standort ist Liechtenstein überdies für die Vermögensverwaltungsbranche, die Fondsindustrie, die Treuhandbranche und die Versicherungswirtschaft. 6.835 Menschen sind allein im Liechtensteiner Finanzsektor beschäftigt, was einem Anteil von mehr als 17 Prozent aller Beschäftigten entspricht.

Eine der großen und bekannten Versicherungsgesellschaften des Kleinstaates ist die Liechtenstein Life Assurance AG unter der Geschäftsleitung von Michael Blank, Gordon Diehr und Dr. Aron Veress. Der seit 2008 international tätige Versicherungskonzern mit Hauptsitz in Ruggell hat seine Kernmärkte in Liechtenstein, der Schweiz und Deutschland. Dort bietet man mit ausgewählten Kooperationspartnern in erster Linie Risikoabsicherung und Vermögensaufbau in Form fondsgebundener Renten- und Lebensversicherungsprodukte an. Liechtenstein Life gehört zur Digital-Finanzgruppe the prosperity company und betonte bislang stets die eigene unternehmerische Unabhängigkeit. Damit ist es nun aber vorbei.

Am 19. August 2021 gaben die Liechtensteiner bekannt, dass sich die portugiesische Versicherungsgruppe Fidelidade mit den Mehrheitsaktionären und dem Management des InsurTechs the prosperity company AG auf die Übernahme von 70 Prozent der Unternehmensanteile geeinigt hat. Damit sichert sich Fidelidade die Kontrolle über the prosperity company. Gleichzeitig hat das Management-Team seinen Anteil am Unternehmen auf 30 Prozent erhöht und führt die Gruppe samt Tochterunternehmen, darunter die Liechtenstein Life Assurance AG, unverändert weiter. Reto Näscher, CEO von the prosperity company, ist voll des Lobes über die Transaktion. Man freue sich, mit Fidelidade einen zukunftsgerichteten und technologiestarken Partner gefunden zu haben. „Zusammen mit Fidelidade können wir unsere Digitalisierungs- und Wachstumsstrategie konsequent weiterentwickeln, umsetzen und unseren Stakeholdern noch bessere und umfangreichere Dienstleistungen anbieten“, glaubt er. Fidelidade-CEO Rogério Campos Henriques begründet den Erwerb der Mehrheitsbeteiligung an dem InsurTech damit, dass man das Angebot für Kunden mit langfristigen Anlagewünschen für Ersparnisse erweitern wolle. „Mit dieser Übernahme möchten wir unsere Kompetenzen stärken und unser Geschäft ausbauen, indem wir das Angebot an Sparversicherungen verbessern und unseren Distributionspartnern flexiblere Lösungen anbieten“, so der Versicherungsmanager. 

Der bejubelte Deal muss aber noch von den zuständigen Regulierungs- und Aufsichtsbehörden genehmigt werden. Ob dafür tatsächlich grünes Licht gegeben wird, bleibt abzuwarten, denn Fidelidade firmiert zwar als portugiesische Versicherungsgruppe, wird seit 2014 aber vom chinesischen Beteiligungskonglomerat Fosun International kontrolliert. Über Fidelidade hält Fosun erhebliche Beteiligungen an mehreren westlichen Großunternehmen in verschiedenen Branchen. Dadurch dürfte auch der chinesische Staat beträchtlichen Einfluss ausüben, weil chinesische Unternehmen immer auf die eine oder andere Weise mit staatlichen Stellen verbandelt sind. Das „Handelsblatt“ zitierte den Fosun-Gründer Guo Guangchang im Jahr 2018 mit der Aussage: „Natürlich sind wir weiter an europäischen Firmen und Technologie interessiert.“ Allein schon durch den 1967 geborenen Multimilliardär wird die kommunistische Staatspartei Chinas die expansive Geschäftspolitik von Fosun beeinflussen. Guangchang nennt man wegen seiner Investitionsstrategie zwar den „Warren Buffett von Schanghai“, aber in seiner Heimat bedeutet große wirtschaftliche Macht eben nicht Staatsferne, sondern Staatsnähe. Nach Medienberichten arbeitete er an der Universität Fudan mehrere Jahre für den Kommunistischen Jugendverband und gründete mit Kommilitonen 1992 das Unternehmen Fosun, das schnell zu einem internationalen Marktakteur wurde. Seit 2003 soll er Delegierter des chinesischen Nationalen Volkskongresses sein, was eine große Nähe zum kommunistischen Regime in Peking dokumentiert. Und dieser Guo Guangchang, der laut dem Wirtschaftsmagazin „Forbes“ zu den allerreichsten Chinesen gehört, steuert über die Versicherungsgruppe Fidelidade nun die Liechtensteiner Finanzgruppe the prosperity company und damit auch die Liechtenstein Life Assurance AG. 

Im Fürstentum nährt die jüngste Übernahme den bösen Verdacht, dass mit den werthaltigen Assets von Liechtenstein Life weltweit neue chinesische Projekte finanziert werden sollen, um den politischen Einfluss Pekings zu vergrößern. Ganz konkret wird befürchtet, dass der chinesische Mutterkonzern die Kundengelder seiner ausländischen Töchter nutzt, um im geopolitischen und geowirtschaftlichen Interesse Pekings Projekte der „Neuen Seidenstraße“ zu finanzieren. Die sogenannte „Belt and Road“-Initiative ist ein außenpolitisches Konzept der chinesischen Regierung zur „Integration“ der Wirtschaftsräume Asien, Europa und Afrika. Dabei soll China natürlich das große Machtzentrum sein, im dem alle Fäden gezogen werden. Scheinbar sind Firmenübernahmen in Liechtenstein ein Baustein dieses Expansionskurses. 

Mitte 2019 bot das „Liechtensteiner Volksblatt“ ausgerechnet Zhao Qinghua ein großes Forum zur Kommentierung der Weltlage. Der Generalkonsul der Volksrepublik China für die Deutschschweiz und Liechtenstein lobte am Fürstentum, dass es seine Stärken geschickt einsetze, um historische Chancen zu nutzen: „An seiner aktiven Teilnahme an Chinas Reform und Öffnung zeigt sich Liechtensteins ausgezeichnete Weitsicht und Klugheit. Liechtenstein nahm an der Shanghai World Expo 2010 teil und steht beispielsweise durch die Ausstellung der Fürstlichen Sammlung oder die Wanderausstellung seiner Briefmarken in regem kulturellen Austausch mit China.“ Das Handelsvolumen zwischen Liechtenstein und China nehme beständig zu. „Man kann sagen, dass sich die chinesisch-liechtensteinische Beziehungen auf einem historischen Hoch befindet und als ein Modell für die friedliche Zusammenarbeit zwischen einem großen und einem kleinen Land dienen können“, sagte Zhao Qinghua. Chinesische Regierungs- und Wirtschaftsvertreter verstehen es immer gut, knallharte Interessenpolitik hinter einem Schwall netter Worte zu verbergen. Es könnte sich schon bald zeigen, welche Pläne Fosun mit Liechtenstein Life tatsächlich hat.

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