Kakao ist das Gold von São Tomé e Príncipe
Kakao ist das Gold von São Tomé e Príncipe


São Tomé – Das zweitkleinste Land Afrikas schafft es nicht oft in die deutschen Nachrichten. Im August 2021 berichtete aber „Tagesschau.de“ groß über das politische Geschehen in São Tomé und Príncipe als verträumtem Inselstaat im Golf von Guinea. Die beiden Inseln liegen knapp 200 Kilometer vor der Küste Afrikas ziemlich genau auf dem Äquator. Der seit 1975 unabhängige Zwergstaat hat eine Landfläche von etwa 960 Quadratkilometern und zählt rund 223.000 meist junge Einwohner. Damit ist São Tomé und Príncipe nach den im Indischen Ozean liegenden Seychellen das zweitkleinste Land des „schwarzen Kontinents“.

Anlass der „Tagesschau“-Berichterstattung war die bevorstehende Stichwahl im Rahmen der Präsidentschaftswahlen. Die erste Runde hatte der frühere Infrastrukturminister Carlos Vila Nova mit knapp 40 Prozent der Stimmen für sich entschieden. Sein größter Konkurrent, Ex-Premierminister Guilherme Posser da Costa, kam auf rund 21 Prozent. Kandidat Delfim Neves belegte den dritten Platz. Wegen örtlicher Wahlboykotte betonte die Wahlkommission, dass der Urnengang korrekt und sauber verlaufen sei. In die Stichwahl mit gut 120.000 Wahlberechtigten gingen der erst- und zweitplatzierte Kandidat. Sozialdemokrat Posser da Costa versuchte mit seiner Erfahrung als früherer Premier zu punkten und warb mit der Losung „Harmonie und Fortschritt“. Sein Gegner Carlos Vila Nova versprach als Präsident „das Beste für alle zu garantieren“. In den Werbespots seiner konservativen Partei kreiste alles um Infrastrukturprojekte. Der ehemalige Infrastrukturpolitiker profilierte sich als erfahrener Machertyp, der sich um Fragen der Wasseraufbereitung, Tourismusentwicklung und Sportförderung kümmert. Vor allem stellte er den Bau neuer Sportplätze in Aussicht. Das scheint den Großteil der Wähler überzeugt zu haben, denn Vila Nova konnte die zweite Wahlrunde für sich entscheiden. Im September 2021 trat er sein Amt als Präsident von São Tomé und Príncipe an.

In Afrika wurde die Wahl im kleinen Inselstaat mit großem Interesse verfolgt. Das zeigte die Reaktion des marokkanischen Königs Mohammed VI., der Carlos Vila Nova umgehend eine Glückwunschbotschaft zukommen ließ. Darin hieß es: „Ich möchte Sie wissen lassen, wie sehr ich die brüderlichen Beziehungen schätze, die auf gegenseitiger Wertschätzung und fruchtbarer Zusammenarbeit zwischen unseren Ländern beruhen.“ Weiter formulierte der König: „Ich freue mich sehr darauf, mit Ihnen zusammenzuarbeiten, um unsere Verbindungen zu stärken und auf alle Sektoren auszudehnen.“

Dass ein Großteil der Bewohner der beiden Inseln São Tomé und Príncipe katholisch und nicht muslimisch ist, steht den engen Beziehungen zu Marokko nicht im Wege. Beide Länder verbindet eine bestimmte koloniale Vergangenheit. Im 15. Jahrhundert hatten Spanier und Portugiesen damit begonnen, kleinere Niederlassungen an der marokkanischen Küste zu gründen. 1471 und 1472 erreichten portugiesische Seefahrer auch die beiden Inseln westlich der heutigen Staaten Gabun und Äquatorialguinea. Das war für die Namensgebung entscheidend: Laut der Überlieferung haben die Portugiesen am 21. Dezember, dem Tag des Heiligen Thomas – auf Portugiesisch „São Tomé“ –, den ersten Fuß auf die damals wohl unbewohnte Insel gesetzt. In der Folgezeit nutzte Portugal die Kolonie für einen sehr ertragreichen Zuckeranbau. Es entstand eine effiziente Plantagenwirtschaft mit verschiedenen Monokulturen. Bis ins 18. Jahrhundert prägte der Anbau von Zuckerrohr die beiden Inseln. Im 19. Jahrhundert kam die Erzeugung von Kaffee- und Kakaobohnen dazu. Im 20. Jahrhundert machte sich der Inselstaat weltweit als Kakaoproduzent einen Namen. Noch heute sind Kaffee, Kakao und Baumwolle zentrale Exportgüter von São Tomé und Príncipe.

Aus der großen portugiesischen Kolonialzeit der Kaffee- und Kakaoproduktion stammen auch die „Rocas“ – prächtige Herrenhäuser, die mit ihren Nebengebäuden oft den Ursprung kleinerer Städte am Rand der Plantagen bildeten. Inzwischen werden die großen Kakaoplantagen selbst Rocas genannt. Die größte von ihnen ist die Plantage Agostinho Neto auf der Hauptinsel São Tomé mit der gleichnamigen Hauptstadt. Dort ist architektonisch alles vom Kolonialstil geprägt. Absolut sehenswert ist in diesem Zusammenhang die Santa Se Kathedrale aus dem 16. Jahrhundert. Sie ist so etwas wie das kulturelle Herz der Hauptstadt, weil die meisten Santomesen gläubige Katholiken sind. Die Kathedrale besteht aus einem großen Vorplatz und dem Hauptgebäude mit seinen zwei die ganze Stadt überragenden Türmen. Eine absolute Sehenswürdigkeit ist auch das Fort São Sebastião aus dem 16. Jahrhundert, in dem sich heute das Nationalmuseum von São Tomé und Príncipe befindet. Im Juli 1975 wurden die beiden Inseln von Portugal in die staatliche Unabhängigkeit entlassen. Sofort nahmen die Bundesrepublik Deutschland und die Deutsche Demokratische Republik diplomatische Beziehung zum Kleinstaat im Atlantik auf.

Als große Chance für die wirtschaftliche Belebung sehen die Inselbewohner den Individualtourismus, der sich stetig weiterentwickelt und von den baulichen Hinterlassenschaften der portugiesischen Kolonialvergangenheit profitiert. Dass die Besucher tiefere Einblicke in den traditionsreichen Kakao- und Kaffeeanbau gewinnen können, ist von zusätzlichem Reiz. São Tomé und Príncipe gilt längst als Geheimtipp für Reisefreunde, die die ausgetretenen Pfade des Massentourismus hinter sich lassen wollen. Traumstrände, Wasserfälle, eine unberührte Unterwasserwelt, dichter Regenwald und atemverschlagende Fels- und Korallenformationen lassen Urlauberherzen höherschlagen. Wer dieses Inselparadies abseits des Touristentrubels kennenlernen will, darf sich von kleinen Hindernissen nicht abschrecken lassen. Der Weg zu abgelegenen Sehnsuchtsorten ist nun einmal komplizierter als der zu den allseits bekannten Urlaubszielen. So gibt es keine Direktflüge von Deutschland aus; man muss über Portugal fliegen und manchmal auch noch einen Zwischenstopp in Ghana einlegen.

Weil São Tomé und Príncipe direkt am Äquator liegt, herrscht dort ein tropisches Klima mit seinen Eigenheiten. Reiseportale sprechen mit Blick auf die weißen, menschenleeren Strände von einem „Robinson-Crusoe-Feeling“. Auf der Webseite „Urlaubsguru.de“ ist darüber zu lesen: „Ein Highlight auf São Tomé und Príncipe sind zweifelsohne die Strände: Strahlend heller Sand, von Palmen gesäumte Ufer und das glasklare Wasser des Südatlantiks, das manchmal sanft und manchmal mit gewaltigen Wellen an die Küste schlägt. Anders als an von ‚Overtourism‘ geplagten Stränden könnt ihr hier teilweise noch idyllische Einsamkeit und Stille genießen. Nur ihr, die wilde Natur und das scheinbar endlose Meer – so lässt es sich leben, oder?“

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